Die deutsch-polnische Grenzstadt Görlitz kann sich wahrlich sehen lassen. Das weiss sogar Hollywood. Aber auch die Ohren werden hier verwöhnt.
Verspielt: Der Brunnen vor dem Café Central.
(Bild: Martin Stohler)Wer die Bahn nimmt, kommt hier an: der Bahnhof von Görlitz.
(Bild: Martin Stohler)Fast schon sakral: die Bahnhofshalle von Görlitz.
(Bild: Martin Stohler)Licht und Bögen: die kurz nach 1900 gebaute Strassburg-Passage.
(Bild: Martin Stohler)Rathaus und Häuser von reichen Kaufleuten zeugen von der einstigen Grösse der Handelsstadt Görlitz.
(Bild: Martin Stohler)Nach Golde drängt, am Golde hängt der Kaufmann – und zeigt das auch.
(Bild: Martin Stohler)Gold auch am Hals der Kaufmannsfrau.
(Bild: Martin Stohler)Im Innern des alten Kaufhauses erschuf Regisseur Wes Anderson das Interieur des «Grand Budapest Hotel».
(Bild: Martin Stohler)Hört zu, ihr Bürger: Justitia und Kanzel bei der Rathaustreppe.
(Bild: Martin Stohler)Leicht skurril: Erinnerung an den Gründer des Hühnerologischen Vereins.
(Bild: Martin Stohler)Um von Basel nach Görlitz zu reisen, braucht man gut acht, neun Stunden. Wenn Sie also lediglich in der Stadt an der Neisse übernachten und die restliche Zeit in der Bahn verbringen wollen, dann ist das an einem Wochenende machbar. Wer allerdings etwas von Görlitz sehen will – und es gibt hier vieles zu sehen –, tut gut daran, das Wochenende um zwei, drei Tage zu verlängern.
Beginnen wir mit den Häusern. Mehr als 4000 Gebäude stehen unter Heimatschutz. Die meisten von ihnen sind nach 1989 unter grossen Kosten und mit viel Liebe zum Detail restauriert worden. Die Altstadt ist denn auch auf dem besten Weg, ein grosses Freilichtmuseum zu werden, mag auch hier und dort das eine oder andere Gebäude darauf warten, dass der alte Glanz zurückkommt.
Verschwörung der Tuchmacher
Im Mittelalter war Görlitz eine reiche Stadt, da es an wichtigen Handelsrouten lag und die Ratsherren wussten, wie sie die durchreisenden Kaufleute zu schröpfen hatten. Die Obrigkeit war zu jener Zeit ein exklusiver Club – sehr zum Missfallen der Görlitzer Tuchmacher. Diese planten 1527 zum dritten Mal einen Aufstand, um die Beteiligung am Stadtregiment zu erringen. Ihr Vorhaben wurde aber vorzeitig entdeckt. Neun Verschwörer wurden als Verräter hingerichtet, 19 gefoltert und 25 geächtet. Die Mauer, durch deren Tor die Verschwörer zu ihren geheimen Treffen im Haus Nummer 12 an der Langenstrasse geschlüpft waren, trägt seither die Inschrift D. V. R. T. (Der verräterischen Rotte Tür) 1527.
Einen neuen Schub erhielt Görlitz Mitte des 19. Jahrhunderts, als es ans Eisenbahnnetz angeschlossen wurde. In der «Gründerzeit», den ersten Jahrzehnten des Deutschen Kaiserreichs von 1871, entstanden viele der imposanten Bauten, die auch heute noch das Stadtbild prägen.
Die Neisse wird Grenzfluss
1945 erfolgte ein tiefer Einschnitt ins Leben und die Geschichte von Görlitz, als die Neisse zur Grenze zwischen Deutschland und Polen wurde und damit ein Teil der Vorstadt auf polnisches Gebiet zu liegen kam. Heute ist der Grenzverkehr völlig unproblematisch, man geht einfach über die Brücke und ist im andern Land.
Dass es in Görlitz einiges zu sehen beziehungsweise ins Bild zu rücken gibt, hat sich auch in der Filmbranche herumgesprochen. Jackie Chan, Quentin Tarantino und George Clooney haben hier gedreht, und Wes Anderson hat in einem alten Görlitzer Warenhaus das Interieur des «Grand Budapest Hotel» entstehen lassen.
Aber nicht nur die Augen, sondern auch die Ohren kommen in Görlitz auf ihre Kosten, etwa in der St.-Peter-und-Paul-Kirche, wenn die Sonnenorgel erklingt, ein Wunderwerk aus 6000 Orgelpfeifen. Schon nur ihretwegen sollte man länger als eine Nacht in der Stadt an der Neisse bleiben.
- Anschauen: Das Schlesische Museum zu Görlitz zeigt noch bis 31. Oktober 2015 die Sonderausstellung «Kunst zur Kriegszeit 1914–1918». Di–So 10–17 Uhr.
- Anhören: Den «Orgelpunkt» mit der Sonnenorgel in der Kirche St. Peter und Paul von November bis März. So und Do und von April bis Oktober So, Di und Do jeweils um 12 Uhr.
- Anbeissen: Ein Stück Mohnkuchen.
- Abliegen: Am Rande der Altstadt hinter dem Bahnhof im Gründerzeithotel Silesia. Das Haus ist gut gelegen, hat Caché, allerdings auch nicht hundert Prozent schalldichte Fensterscheiben.