«Goltzius and the Pelican Company» – Greenaway unterwegs nach Basel

Peter Greenaway neuster Film spielt in Colmar. Seine «Pelican Company» besucht dort den Markgrafen. Damit haucht er auch einem Bild aus dem Kunstmuseum Basel neues Leben ein. Der Film eröffnet die Veranstaltungsreihe zum «Basler Totentanz». Fast hätten wir Hendrick Goltzius im Kunstmuseum übersehen: Peter Greenaway ruft ihn uns in «Goltzius and the Pelican Company» in […]

«Goltzius and the Pelican Company»

Peter Greenaway neuster Film spielt in Colmar. Seine «Pelican Company» besucht dort den Markgrafen. Damit haucht er auch einem Bild aus dem Kunstmuseum Basel neues Leben ein. Der Film eröffnet die Veranstaltungsreihe zum «Basler Totentanz».

Fast hätten wir Hendrick Goltzius im Kunstmuseum übersehen: Peter Greenaway ruft ihn uns in «Goltzius and the Pelican Company» in Erinnerung. Damit schickt «Le Bon Film» im Stadtkino einen Vorboten zu Greenaways Installation in der Predigerkirche. «Goltzius and the Pelican Company» ist ein Kunstfilm, besser ein Gemälde, das einem nicht mehr loslassen will, wie die Kupferstiche des Niederländers. Wer vor dem nächsten Museumsbesuch ein wenig lebendige Basler Vergangenheit schnuppern will: Hier ist sie.

Stich von Hendrick Goltzius

Stich von Hendrick Goltzius

Colmar hatte einst zum Bistum Basel gehört. Am 9. Februar 1529, einem Fasnachtsdienstag, stürmten die Reformierten das Basler Münster. Ab 1575 wurde die Reformation auch in Colmar eingeführt. Bis 1629 herrschte in der Reichsstadt der liberale Markgraf vom Elsass. Ihn besuchte einst der Kupferstecher und Verleger Goltzius. Er verbrachte mit seiner Theatertruppe eine Zeit am Hof des Markgrafen von Colmar. Peter Greenaway fand im niederländischen Maler und Verleger einen Geistesverwandten. Mit Akribie macht er sich auf die Spuren der barocken und erotischen Bilderfülle. Im Kunstmuseum und im Kupferstichkabinett hat er auch in Basel Inspiration gefunden.

Der Bilderstürmer, der Bildermacher, der Bildbetrachter

Greenaway hat mit «The Belly of an Architect », « Prospero’s Books» u.a.  die Bildbetrachter der Kino-Welt lange herausgefordert. Mehr und mehr ist er hierbei selber zu einem passionierten Bildbetrachter geworden: Er sichtet, während er seine Bilder entwirft, pausenlos die Bilder anderer. Kein Wunder also, dass er neben Rembrandt immer häufiger auch unter anderen alten Meistern zu Gast ist – in Basel.

Peter Greenaways, fasst in «Goltzius and the Pelican Company» in einem grossen Sittenbild zusammen, was die Aufklärung mit den neuen Technologien des Drucks ins Füllhorn des Humanismus schüttete: eine neue Sicht der Bibel, der Sexualität, der Kunst und der – Macht.

«Goltzius and the Pelican Company»

«Goltzius and the Pelican Company»

Die sieben Laster

Was erzählt uns der Film: Der niederländische Kupferstecher Hendrick Goltzius bietet 1590 mit seiner Truppe aus Schriftstellern, Arbeitern und Künstlern dem Markgrafen des Elsass an, ihm eine Inszenierung der «sechs sexuellen Tabus» zu zeigen, in der Hoffnung, als Bezahlung hierfür eine Druckerpresse für seine erotischen Illustrationen zu erhalten. Ein Unterfangen wahrhaft biblischen Ausmasses: Goltzius wollte für den Markgraf als Gegenleistung auch das Alte Testament illustrieren.  

Es ist ein ausschweifender Museumsbesuch Peter Greenaways geworden. Als Zeugen eines exzessiven Bildersturms fordert uns Greenawy auf allen Ebenen des Kunstdiskurses heraus. Er dekonstruiert die sieben Todsünden, denkt die Geschichten der Töchter Lots zu Ende, deutet die Affäre von David und Bathseba, geht der Verführung Josephs durch Potiphars Frau auf den Grund, entlarvt Samsons Delilah und lässt Salome bekannt grausam mit Johannes dem Täufer verfahren.

In Basel im Kunstmuseum: Allegorie auf die Eitelkeit

In Basel im Kunstmuseum: Allegorie auf die Eitelkeit

In vielen Rollen des Filmers zu Hause

Greenaway, provokant aber politisch harmloser als Pasolini in «Die 120 Tage von Sodom», opulent wie Fellini in seinem «Satyricon», ist mehr Dozent als Moralist, eher ein Provokateur und Selbstdarsteller. Als solcher kommentiert er zeitkundig und zeitgenössisch wach die Kunst als Tabubruch, als Moralität und Deutung der Menschenbilder. Wer seinem passionierten Menschenbild folgt, wird ein anderes Bild der Kupferstiche jener Zeit finden.

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