Griechenland wird nach Angaben eines Regierungsvertreters die am Dienstag fällige IWF-Kreditrate von 1,6 Milliarden Euro nicht zahlen. Das hochverschuldete Euro-Zonen-Mitglied wäre somit das erste Industrieland, das beim IWF in Zahlungsrückstand gerät.
Die Zahlung werde nicht erfolgen, wenn es nicht über Nacht noch eine Einigung mit den internationalen Gläubigern gebe, präzisierte Ministerpräsident Alexis Tsipras am Montagabend in einem Interview des griechischen Staatsfernsehens.
Die kurzfristigen konkreten Folgen blieben überschaubar. In den nächsten Wochen würde der Fonds Griechenland mehrmals mahnen, seine Schulden unverzüglich zu begleichen. Die Regierung in Athen hätte bis auf Weiteres keinen Zugang zu weiteren Ressourcen des Fonds.
Erst nach drei Monaten steht dann die Veröffentlichung einer formellen Erklärung des IWF an. Darin wird festgestellt, dass Griechenland von jeglichen Hilfen und Rückgriffen auf IWF-Mittel abgeschnitten sein wird – bis die versäumten Zahlungsverpflichtungen erfüllt sind. Nach bis zu 18 Monaten droht dem Land ein Entzug seiner IWF-Stimmrechte und nach bis zu 24 Monaten ein Verfahren zum Ausschluss aus dem Fonds.
Rettungsprogramm läuft aus
Kurzfristig härter treffen dürfte Griechenland das Auslaufen des Rettungsprogramms – ebenfalls am Dienstag. Als direkte und indirekte Folge drohen dem Land dadurch Hilfsgelder von zusammen gut 18 Milliarden Euro verloren zu gehen.
Davon entfallen knapp elf Milliarden Euro auf einen Posten, der beim Euro-Rettungsschirm EFSF ursprünglich für Kapitalhilfen an griechische Banken vorgesehen war. Der Rest wäre, sofern das Programm ordnungsgemäss beendet worden wäre, aus Kassen des Rettungsfonds EFSF, des Internationalen Währungsfonds (IWF) und aus EZB-Gewinnen mit Griechenland-Anleihen geflossen.
Tsipras will mehr Zeit
Griechenlands Premier Alexis Tsipras bat am Montag erneut um eine kurzfristige Verlängerung des Hilfsprogrammes «um ein paar Tage».
Tsipras hatte für kommenden Sonntag (5. 7.) überraschend eine Volksabstimmung über die Reformvorschläge der Gläubiger Griechenlands angekündigt und die Euro-Partner so vor den Kopf gestossen. Die Euro-Finanzminister erklärten daraufhin am Samstag ihre Verhandlungen mit Athen für gescheitert.
Europäische Politiker werteten das geplante Referendum am Montag als Abstimmung Griechenlands über den Verbleib im Euro. Es gehe letztlich um die Frage «Ja oder nein zur Eurozone», sagte der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel nach Gesprächen mit den Partei- und Fraktionschefs in Berlin.
Juncker: Nein im Referendum ist nein zu Europa
«Ein Nein würde ein Nein zu Europa heissen», sagte auch EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker in Brüssel. Mit Blick auf das Dienstagnacht auslaufende Rettungsprogramm sagte Juncker: «Es ist nicht so, dass wir endgültig in einer Sackgasse feststecken würden. Aber die Zeit wird immer knapper.»
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz warb ebenso für ein «Ja» der Griechen. «Ich kann nur empfehlen, dass das griechische Volk mit Ja stimmt», sagte Schulz in Brüssel.
Merkel offen für weitere Verhandlungen
Er forderte die EU-Staaten im Namen der Vorsitzenden aller Fraktionen im EU-Parlament auf, bis Dienstagabend eine Vereinbarung mit Griechenland zu finden. Das Ziel müsse sein, «dass es eine Brücke gibt zwischen dem morgigen Abend und dem Sonntagabend, wenn das Ergebnis des Referendums feststeht.» Einen konkreten Plan dafür habe er nicht.
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel versicherte, man werde sich weiteren Verhandlungen nicht verschliessen, wenn Athen nach der Volksabstimmung darum bitten sollte.
Auch Frankreich zeigte sich zur Wiederaufnahme der Verhandlungen mit Athen bereit. Er wünsche sich, dass die Gespräche weitergeführt würden, sagte Präsident François Hollande in Paris.
China drängt EU zu Lösung
China forderte die EU am Montag auf, sich für einen Verbleib Griechenlands in der Euro-Zone einzusetzen. Man dränge die Geldgeber, so schnell wie möglich eine Einigung mit der Regierung in Athen zu finden, sagte Regierungschef Li Keqiang am EU-China-Gipfel in Brüssel.
Die griechische Schuldenfrage sei kein rein europäisches Thema. Als Investor wolle China ein vereintes, prosperierendes Europa und einen starken Euro sehen. Der Frage, ob eine stärkere Unterstützung Griechenlands durch China denkbar sei, wich Li aus.