Kurz vor Ablauf der Frist am Dienstag steuert der Schuldenstreit mit Griechenland auf den Höhepunkt zu. Bundeskanzlerin Angela Merkel rief Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras auf, das «grosszügige Angebot» von EU-Kommission, EZB und IWF anzunehmen.
Tsipras indes warf den Euro-Partnern Erpressung und Ultimaten vor, berief aber noch für Freitagabend eine Dringlichkeitssitzung des Kabinetts ein. Die Entscheidung, ob Griechenland vor der Staatspleite gerettet wird oder nicht, dürfte bei einem Treffen der Finanzminister der 19 Euro-Staaten fallen, das am Samstagnachmittag in Brüssel beginnt.
Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble schätzte die Chancen auf 50 zu 50. Sein griechischer Kollege Yanis Varoufakis zeigte sich betont optimistisch, dass es zu einer Einigung kommt. Für diesen Fall stellen die Gläubiger Griechenland eine Verlängerung des Hilfsprogramms und Milliardengelder in Aussicht.
Auch EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker äusserte sich am Freitag zuversichtlich, bremste aber zugleich: «Ich bin recht optimistisch, aber nicht überschwänglich optimistisch.» Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem werde am Samstag versuchen, die Positionen der Gläubiger und Griechenlands zusammenzubringen.
Merkel zufolge gibt es keine ausgearbeiteten Vorbereitungen für den Fall, dass Griechenland als erster Euro-Staat überhaupt in die Staatspleite geht. Auf die Frage, ob es einen «Plan B» gebe, antwortete sie am Freitag nach dem EU-Gipfel in Brüssel mit «Nein».
Kabinett in Athen berät
Auf der Sitzung des griechischen Kabinetts soll nochmal über die Vorschläge der Geldgeber beraten werden. Ein griechischer Regierungsvertreter sagte kurz vor Beginn des Treffens, die Geldgeber hätten Griechenland am Donnerstag eine Frist von 24 Stunden eingeräumt, um auf ihre Angebote zu reagieren.
«Ich sehe keinen Grund, warum wir keine Einigung (mit den Gläubigern) erreichen sollten», sagte Varoufakis. Griechenland habe immer wieder Zugeständnisse gemacht, fügte er hinzu. Allerdings habe seine Regierung auch feststellen müssen, dass die Geldgeber immer dann eine härtere Haltung einnähmen, wenn Griechenland sich auf sie zu bewege.
Die Zeit wird knapp, da eine Vereinbarung noch vor Ablauf des 30. Juni vom Parlament in Athen wie auch vom Bundestag bestätigt werden müsste. Das bereits mehrfach verlängerte zweite Hilfsprogramm für Griechenland endet am Dienstag. Dann ist auch eine Zahlung von 1,6 Milliarden Euro aus Athen an den Internationalen Währungsfonds (IWF) fällig.
Gelingt eine Einigung nicht, wäre Griechenland zahlungsunfähig. Die Gläubiger-Institutionen IWF, Europäische Zentralbank (EZB) und EU-Kommission beharren im Gegenzug auf Reformen, durch die Griechenland sparen wie auch mehr Geld einnehmen soll.
Einem EU-Vertreter zufolge sehen die Geldgeber etwas Spielraum für ein Entgegenkommen gegenüber den Wünschen der Regierung in Athen. So könnte bei dem Treffen am Samstag eine Zusage der Finanzminister erneuert werden, die etwa eine Verlängerung der Kreditfälligkeiten, ein Moratorium bei den Zinszahlungen und niedrigere Zinsen vorsieht, hiess es.
Verlängerung bis Ende November erwägt
Die internationalen Geldgeber stellen Griechenland weitere Milliardenhilfen in Aussicht, wenn es die Reformauflagen in letzter Minute akzeptiert. Laut einem der Nachrichtenagentur Reuters am Freitag vorliegenden Papier könnte das Hilfsprogramm bis Ende November verlängert werden. Griechenland könnten bis dahin rund 15,3 Milliarden Euro zufliessen. Varoufakis erteilte dem Vorschlag umgehend eine Absage.
Tsipras traf am Rande des EU-Gipfels Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande und klagte nach Angaben aus seiner Regierung über die harte Haltung der Gläubiger. Varoufakis sprach von Forderungen, die Griechenland nicht akzeptieren könne. Dabei geht es unter anderem um Erhöhungen der Mehrwertsteuer und Kürzungen bei den Renten, die die Gläubiger verlangen, bei denen sie Griechenland am Donnerstag aber entgegengekommen waren.