Die Schweizer Rüstungsindustrie läuft weiter auf Hochtouren: Im ersten Semester des laufenden Jahres haben die Exporte um über 16 Prozent zugelegt – nicht wegen der gelockerten Regelungen, sondern vor allem wegen eines Grossauftrags aus Indonesien.
Der Auftrag im Wert von über 32 Millionen Franken umfasst Fliegerabwehrsysteme, wie Fabian Maienfisch, Mediensprecher im Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO), am Dienstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda sagte. Zum Vergleich: Im ersten Halbjahr 2014 waren faktisch keine Waffen in das südostasiatische Land exportiert worden.
Insgesamt lieferten Schweizer Rüstungsunternehmen von Januar bis Juni diesen Jahres Waffen für knapp 217 Millionen Franken aus. Das sind über 30 Millionen Franken oder ein Sechstel mehr als in der entsprechenden Vorjahresperiode, wie die neusten Zahlen der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV) zeigen.
Noch keine Folge der gelockerten Regeln
Im Auftrag des Parlaments hatte der Bundesrat per 1. November 2014 gelockerte Regeln für Kriegsmaterialexporte in Kraft gesetzt. Exporte sind seitdem nur noch dann verboten, wenn ein hohes Risiko besteht, dass das Material für schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen eingesetzt wird.
Konkret wird berücksichtigt, ob sich das auszuführende Kriegsmaterial für die Begehung von Menschenrechtsverletzungen eignet. Früher galt ein Waffenexportverbot für Länder, in denen Menschenrechte systematisch und schwerwiegend verletzt werden.
Die gelockerten Regeln dürften aber kaum zur Anstieg der Ausfuhren im ersten Halbjahr 2015 geführt haben. Die aktuelle Statistik enthalte keine Geschäfte, die nicht auch bereits vor der Revision der Kriegsmaterialverordnung (KMV) bewilligungsfähig gewesen wären, sagte Maienfisch. Darüber hinaus sei es noch zu früh, um diesbezüglich eine schlüssige Antwort geben zu können.
Millionenauftrag aus Rumänien
Grösster Importeur von Schweizer Rüstungsgütern war wie im vergangenen Jahr Deutschland. Die Schweiz lieferte in den ersten sechs Monaten 2015 für insgesamt über 63 Millionen Franken Waffen ins nördliche Nachbarland.
Dahinter folgen Indonesien sowie klassische Ausfuhrländer wie Grossbritannien, Italien und die USA. Auf Platz 6 der Exporttabelle steht Rumänien. Laut SECO wurden dorthin gepanzerte Radfahrzeuge im Wert von 12,7 Millionen Franken ausgeführt.
Auch nach Brasilien und Indien wurden viel mehr Waffen exportiert als im ersten Halbjahr 2014. Stark zurückgegangen ist hingegen der Waffenexport nach Schweden, Spanien und Frankreich.
Exportstopp in die Golfstaaten
Gestoppt wurden im Verlauf des ersten Halbjahrs 2015 Kriegsmaterialausfuhren nach Saudi-Arabien, Kuwait, Jordanien, Katar, Ägypten, die Arabischen Emirate sowie Bahrain. «Seit dem 27. März hat das SECO Gesuche aus diesen Staaten zurückgehalten», sagte Maienfisch.
Damit solle ohne zeitlichen Druck und unter Berücksichtigung der Konfliktlage in diesen Ländern gehandelt werden können. An der Ausgangslage habe sich bis heute nichts geändert.
Zwischen Januar und dem 27. März hatte die Schweiz jedoch noch Kriegsmaterial im Wert von mehreren Millionen in diese Länder geliefert – beispielsweise Ersatzteile für Fliegerabwehrsysteme nach Saudi-Arabien.
Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) kritisierte in einer Stellungnahme vom Dienstag solche Exporte. Die Diktaturen in Nahost blieben Hauptkunden von Schweizer Waffen. Die Armeekritiker forderten zum wiederholten Male «ein sofortiges Ausfuhrverbot von Kriegsmaterial».
Nur private Lieferungen nach Russland
Zu Kriegsmaterialausfuhren nach Russland im Wert von 2100 Franken hielt Maienfisch vom SECO fest, dass nur einzelne Waffen für den privaten Gebrauch geliefert worden seien. «Lieferungen an Regierungs- oder andere Behördenstellen werden bereits seit März 2014 allesamt abgelehnt.»
Der Bundesrat hatte Ende August 2014 eine Verordnung erweitert, damit die von der EU zuvor verhängten Sanktionen nicht über das schweizerische Staatsgebiet umgangen werden können. Untersagt ist unter anderem die «Aus-, Ein- und Durchfuhr zivil und militärischer Güter» (Dual-Use-Güter) nach Russland und in die Ukraine, wenn diese tatsächlich beim Militär oder bei bewaffneten Milizen landen könnten.