Die vereinbarte Koalition aus Christdemokraten und Sozialdemokraten will nach den Worten der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel wichtige Vorhaben für die Zukunft des Landes umsetzen. Im Zentrum stehen Finanzen, Energiewende, soziale Sicherheit und der Euro.
«Der Geist dieses Vertrages heisst, dass wir eine grosse Koalition sind, um auch grosse Aufgaben für Deutschland zu meistern», sagte die CDU-Chefin bei der Vorstellung der «schwarz-roten» Koalitionsvereinbarung am Mittwoch in Berlin.
Die CDU werde zentrale Wahlkampfversprechen umsetzen. Dazu gehöre, dass es keine Steuererhöhungen gebe. Schwerpunkte seien auch mehr Verkehrsinvestitionen und die Energiewende.
Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel nannte drei grosse Aufgaben für die neue Regierung: Die Stabilisierung Europas und des Euros, die Energiewende und die Reform des bundesstaatlichen Finanzausgleiches. Wenn die Energiewende, also die Umstellung der Stromversorgung auf erneuerbare Energien, in Deutschland schiefginge, würde sich kein Land der Erde mehr an eine solche Herausforderung herantrauen, sagte Gabriel.
Die Einigung erfolgte nach fünfwöchigen Verhandlungen. Union und SPD einigten sich am frühen Mittwochmorgen nach einem über 17-stündigen Verhandlungsmarathon auf einen Koalitionsvertrag.
SPD-Basis entscheidet
Ein neues schwarz-rotes Bündnis unter Kanzlerin Merkel steht allerdings unter dem Vorbehalt, dass die SPD-Basis in der ersten Dezemberhälfte in einer Mitgliederbefragung zustimmt. Nur wenn die Parteimitglieder zustimmen, kommt die grosse Koalition zustande.
Die Aufteilung der Ministerien und ihre Besetzung soll bis nach dem SPD-Mitgliederentscheid offengelassen werden. In der SPD gibt es Befürchtungen, eine vorzeitige Nominierung könnte bei der Mitgliederbefragung den Eindruck erwecken, es gehe vorrangig um Posten für bestimmte Politiker.
Fest steht indessen, dass die SPD in einem neuen Kabinett sechs Ministerien bekommen soll, die CDU fünf (plus Kanzleramtsminister) und die CSU drei. Wenn die insgesamt 475’000 SPD-Mitglieder grünes Licht geben, könnte Merkel in der Woche vor Weihnachten – am 17. Dezember – im Bundestag als Kanzlerin wiedergewählt werden.
Keine Steuererhöhungen
Die Parteispitzen hatten in der Nacht die letzten heissen Eisen angefasst und eine Einigung gefunden. Sie verständigten sich auf die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro pro Stunde und Erleichterung der doppelten Staatsbürgerschaft. Auch soll eine Auto-Maut für Ausländer eingeführt werden.
Bei der Altersvorsorge hatte sich die SPD mit ihrer Forderung durchgesetzt, dass Arbeitnehmer nach 45 Beitragsjahren ohne Renteneinbussen mit 63 Jahren pensioniert werden können. In der wichtigen Frage des Ausbauziels für erneuerbare Energien soll ein Ökostrom-Anteil von 55 bis 60 Prozent bis zum Jahr 2030 angestrebt werden. Zuvor hatte die Union für 50 bis 55 Prozent plädiert, die SPD für 75 Prozent.
Auf Steuererhöhungen für die neuen Projekte will man verzichten. Dies obwohl nach Angaben aus Verhandlungskreisen die Vorhaben der grossen Koalition in der kommenden Legislaturperiode Mehrkosten von 23 Milliarden Euro verursachen.
Union und SPD verständigten sich auch auf einen Finanzrahmen für zusätzliche Ausgaben und Investitionen bis 2017. Von 2015 an sollen keine neuen Schulden mehr gemacht werden.
Opposition kritisiert «Zukunftsvergessenheit»
Die Oppositionsparteien reagierten mit Enttäuschung: Die Vereinbarung von Union und SPD sei geprägt von «Zukunftsvergessenheit», sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter am Mittwoch Fernsehen. Die geplante Koalition ziele auf den «Abbruch der Energiewende» ab und bremse die Entwicklung der erneuerbaren Energien. Auch Dietmar Bartsch, Vizefraktionschef der Linken, vermisste zukunftsweisende Vereinbarungen im Koalitionsvertrag.