Günter Grass‘ Verbindungen zur Schweiz

Den am Montag verstorbenen Günter Grass hat in den fünfziger und sechziger Jahren viel mit der Schweiz verbunden. In erster Ehe war er mit der Lenzburger Tänzerin Anna Schwarz verheiratet. Es heisst sogar, ein Aargauer Kind habe ihn zum Blechtrommler Oskar inspiriert.

Günter Grass (links) und Max Frisch 1977 in Hamburg (Archiv) (Bild: sda)

Den am Montag verstorbenen Günter Grass hat in den fünfziger und sechziger Jahren viel mit der Schweiz verbunden. In erster Ehe war er mit der Lenzburger Tänzerin Anna Schwarz verheiratet. Es heisst sogar, ein Aargauer Kind habe ihn zum Blechtrommler Oskar inspiriert.

Zur Hochzeit 1954 in Lenzburg erhielt der damals 27-Jährige eine Olivetti-Schreibmaschine geschenkt. Auf ihr tippte er – neben seinem Kunststudium in Berlin – während Aufenthalten in Wettingen im Haus seines Schwagers Werner Geissberger die ersten Vorstufen von «Die Blechtrommel».

Etwa 1955 begegnete Günter Grass bei einem Besuch bei der Schwiegerfamilie in Lenzburg dem damals dreijährigen Matthias Scheurer, der, statt die Gastgeber artig zu grüssen, trotzig ein Blechtrommelständchen gab. Er wurde das mutmassliche Vorbild für Oskar Matzerath.

Das eigentliche Manuskript zu «Die Blechtrommel» entstand 1956 bis 1959, als die junge Familie Grass mit ihren ersten beiden Kindern in Paris lebte. Nach der Rückkehr nach Berlin wurden zwei weitere Kinder geboren, 1972 trennte sich das Paar.

Frisch, Muschg, Bichsel, Späth

Neben den angeheirateten Schwarz‘ hatte Grass auch Seelenverwandte in der Schweiz. Max Frisch etwa zählte er zu den wenigen Autoren «mit denen ich handwerkliche Gespräche führen konnte, also über das Schreiben, über seine Technik, über seine Formen», wie er 1998 gegenüber der Wochenendbeilage «Der kleine Bund» erklärte.

Die Wertschätzung war nicht ganz gegenseitig, wie man im letztes Jahr posthum erschienenen «Berliner Journal» (1973–1980) von Frisch nachlesen konnte. Der Schweizer ärgerte sich über den «Popanz» Grass, der moralisierende «Hirtenbriefe» publizierte und Attacken ritt. Sein Urteil legte Frisch listig anderen in den Mund: «Ich treffe kaum jemand, der mit Sympathie von ihm spricht, das Freundlichste ist Bedauern».

In den letzten Jahrzehnten lockerten sich die Beziehungen von Grass zur Schweiz. Adolf Muschg und Peter Bichsel immerhin galten als seine Freunde. «In ihm wird die Verbindung von Literatur und Aufklärung, Genie und Öffentlichkeit geehrt», kommentierte Muschg 1999 Grass‘ Nobelpreis. Bichsel fand die Vergabe schlicht «prima».

Grass seinerseits zählte damals in Interviews freilich weder Muschg noch Bichsel zu seinen Lieblingserzählern, sondern den Rapperswiler Gerold Späth.

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