Haitis Präsident Michel Martelly hat sich mit der Opposition auf längst überfällige Neuwahlen geeinigt. Damit wurde eine Verschärfung der politischen Krise in letzter Minute abgewendet.
Kurz vor der Auflösung des Parlaments wurde am Sonntagabend in Port-au-Prince ein Abkommen vereinbart, das Neuwahlen bis Ende des Jahres vorsieht. Neben zwei Dritteln der Abgeordneten und Senatoren soll auch der Präsident neu gewählt werden.
Der völlig verarmte Karibikstaat, der noch immer mit den Folgen des schweren Erdbebens vom 12. Januar 2010 zu kämpfen hat, steckt seit langem in einer tiefen politischen Krise. Mit drei Jahren Verspätung sollte eigentlich Ende Oktober ein neues Parlament gewählt werden. Der Urnengang wurde aber am Wahltag abgesagt.
Am Montagmorgen wäre das Mandat das Parlaments endgültig ausgelaufen. Demonstranten, die seit Wochen Martellys Rücktritt fordern, warfen dem Präsidenten vor, danach per Dekret regieren zu wollen.
Vor dem Parlamentssitz in der Hauptstadt Port-au-Prince kam es nach Medienberichten am Sonntagabend zu Strassenschlachten mit der Polizei. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Haiti Press Network wurde mindestens ein Mensch durch ein Gummigeschoss verletzt.
Einheitsregierung und neuer Wahlrat
Das Abkommen zwischen Martelly und führenden Parlamentariern der Opposition sieht neben den Neuwahlen die Bildung einer neuen Einheitsregierung vor, die die «Bedingungen» für freie und faire Wahlen schaffen soll.
Ausserdem soll ein neuer Wahlrat geschaffen werden, in dem Vertreter von Kirchen, Gewerkschaften und von anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen sitzen sollen, aber keine Vertreter der Regierung und politischer Parteien.
Die Einigung erfolgte am Tag vor dem fünften Jahrestag der Naturkatastrophe. Am 12. Januar 2010 hatte ein Erdbeben der Stärke 7 den Karibikstaat erschüttert. Rund 250’000 Menschen starben, 300’000 wurden verletzt. Ausserdem verloren 1,2 Millionen Haitianer ihr Dach über dem Kopf.
UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon hatte die internationale Gemeinschaft am Sonntag dazu aufgerufen, bei den Hilfen für das verarmte Land nicht nachzulassen.