Im eskalierten Nahost-Konflikt hat die Hamas erstmals seit langem Tel Aviv, Jerusalem und andere israelische Grossstädte mit Raketen beschossen. Nach israelischen Angaben schlug mindestens eine von Palästinensern abgefeuerte Rakete in ein Haus in Jerusalem ein.
Dabei sei niemand verletzt worden, hiess es auf israelischer Seite. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wies die Armee an, auch Vorbereitungen für eine Bodenoffensive im Gazastreifen zu treffen.
Insgesamt wurden nach israelischen Angaben am Abend in kurzer Folge etwa 40 Raketen mit grösserer Reichweite abgefeuert. Auch in Ortschaften nördlich der Küstenmetropole Tel Aviv heulten die Sirenen. Die beiden wichtigsten israelischen Städte waren zuletzt im November 2012 mit Raketen angegriffen worden. Die Hamas bekannte sich am Dienstagabend zu Angriffen auf die Städte Haifa, Tel Aviv, Jerusalem und Aschdod.
Bei einer massiven israelischen Offensive im Gazastreifen und einem Angriff militanter Palästinenser in Israel waren zuvor am Dienstag mindestens 21 Menschen getötet worden. Mehr als 100 Menschen wurden binnen weniger Stunden verletzt. Die israelischen Luftschläge gelten als möglicher Auftakt eines neuen Gaza-Kriegs.
Unter zehn getöteten Zivilisten seien auch fünf Kinder, teilte der Sprecher der Rettungsdienste, Aschraf al-Kidra, am Dienstag in Gaza mit. Die restlichen sechs Getöteten seien Kämpfer der Gruppierungen Hamas und Islamischer Dschihad gewesen. Der bewaffnete Arm der Hamas kündigte eine «überraschende Ausweitung unserer Attacken» an.
USA unterstützen Israel
Die USA verurteilten die Raketenangriffe militanter Palästinenser. Israel habe ein Recht auf Selbstverteidigung, sagte US-Regierungssprecher Josh Earnest am Dienstag. Earnest zeigte sich zugleich besorgt über die Sicherheit von Zivilisten auf beiden Seiten.
UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte die Konfliktparteien zu grösstmöglicher Zurückhaltung auf. Die Eskalation der Gewalt im Nahen Osten mache ihn sehr besorgt.
Auslöser der jüngsten Runde der Gewalt waren die Entführung und die Ermordung von drei jüdischen Teenagern am 12. Juni sowie der mutmassliche Rachemord an einem palästinensischen Jugendlichen in der vergangenen Woche. Israel ist seit der Entführung massiv gegen die Infrastruktur der Hamas im Westjordanland vorgegangen und hat Hunderte Mitglieder der Organisation festgenommen.
Mögliche Bodenoffensive
Nach Angaben des israelischen Militärsprechers Arye Shalicar hat die Armee die Mobilisierung von bis zu 40’000 Reservesoldaten bewilligt. Ministerpräsident Netanjahu kündigte an, im Kampf gegen die Hamas sei es an der Zeit, «die Samthandschuhe auszuziehen».
Israel will mit der Operation «Zuk Eitan» (Fels in der Brandung) den ständigen Raketenbeschuss seiner Ortschaften unterbinden. Die israelische Armee teilte am Nachmittag mit, bislang habe die Luftwaffe 150 «Terror-Ziele» im Gazastreifen angegriffen.
Nach palästinensischen Angaben wurden auch ranghohe Hamas-Aktivisten getötet, darunter der Marinekommandant Raschid Jassin. Seit Beginn der israelischen Luftoffensive seien von palästinensischer Seite etwa 130 Raketen auf israelische Ortschaften abgefeuert worden.
Bei einem Angriff auf eine israelische Militärbasis nördlich des Gazastreifens wurden am Abend fünf militante Palästinenser getötet. Der israelische Rundfunk meldete, ein Soldat sei bei Schusswechseln leicht verletzt worden. Die Palästinenser seien offenbar von der See aus gekommen und hätten versucht, in die Basis Zikim einzudringen. Der bewaffnete Arm der Hamas habe sich zu der Tat bekannt.
Die Hamas hatte bereits am Montagabend Dutzende Raketen auf Israel abgefeuert. Zahlreiche Raketen seien vom Abwehrsystem «Iron Dome» abgefangen worden. Insgesamt verfügt Hamas nach israelischen Angaben über etwa 10’000 Raketen mit Reichweiten bis etwas nördlich von Tel Aviv.