«Hamlet» – ein Palaver

Mit einem durchzogenen «Hamlet» eröffnete Stefan Bachmann vor zehn Jahren das neue Basler Schauspiehaus. Mit dem hintergründig-witzigen Projekt «Hamlet. Anschliessend Publikumsgespräch» verabschieden sich Tomas Schweigen und seine Gruppe Far A Day Cage vorübergehend von der freien Szene, um dem Schauspiel des Theater Basel frischen Wind einzuhauchen.

Hamlet und Gertrude, vor dem Publikumsgespräch (Bild: Julian Salinas)

«Hamlet. Anschliessend Publikumsgespräch»: Die Gruppe Far A Day Cage des jungen designierten Basler Schauspiel-Kodirektors Tomas Schweigen seziert in der Reithalle der Kaserne Basel das Prunkstück aller Theaterstücke – mit viel hintergründigem Witz, aber leider nicht ganz so viel Erkenntnisgewinn.

«Warum Hamlet?», fragt die Dramaturgin Linda Best den Regisseur im «anschliessenden Publikumsgespräch», das hier entgegen der Ankündigung im Titel und dem normalen Ablauf im Theater vorangestellt ist. Eine simple, ja geradezu banale Frage, auf die aber niemand in der Stuhlreihe auf der Bühne eine Antwort weiss.

«Das war jetzt nicht abgesprochen», verheddert sich Regisseur Tomas Schweigen, und auch die Schauspieler wissen rein gar nichts darauf zu antworten. Dafür aber wird viel und vor allem bedeutungsschwanger darüber palavert, wie man sich als Theaterleute heute von den alles überragenden Vorbildern und Klischees der Theaterikone «Hamlet» lösen kann, wie man den Geist von Hamlets Vater heute auf die Bühne bringt oder wie «Sein oder Nichtsein» auf Klingonisch klingt.

«Hamlet» ist alles, was Ihr wollt

Das ist sehr witzig und zugleich herrlich hintergründig, denn die Truppe rund um Tomas Schweigen versteht es trefflich, die Abgründe der plumpen Persiflage zum umgehen. Mit dem Palaver über «Hamlet» sagen sie auch sehr viel über den «Hamlet» von heute aus, denn Shakespeares Text ist viel mehr als ein Klassiker, bei dem es am Schluss acht Tote gibt, wie die Dramaturgin in ihrem knapp gescheitertern Versuch, den Stoff in 30 Sekunden nachzuerzählen, bekanntgibt. «’Hamlet‘ ist eine Tragödie der Liebe, der Familie, des Staates, es ist eine philosophische, eschatologische und metaphysische Tragödie. Alles, was ihr wollt!», wie der bekannte Shakespeare-Kenner Jan Kott schreibt.

Unmöglich also, den so vielseitigen Erwartungen des Publikums an die «Mona Lisa der Literatur» zu entsprechen, was den Regisseur Tomas Schweigen denn nach eigener Aussage (im Stück) dazu bewegt, alle Erwartungen in einem inszenatorischen Fass zur Kollektiven Erinnerung vergären zu lassen. Das kann natürlich nicht gut gehen. Oder geht nur fast gut, wie sich sodann nach dem Übergang von der gespielten Reflexion zum gespielten Spiel zeigt.

Das Spiel im Spiel im Spiel

Das eigentliche Spiel beginnt mit der berüchtigten «Mausefalle», dem von Hamlet (Jesse Inman als zumeist englisch sprechender «Quoten-Engländer») initiierten Spiel im Spiel, das zur Entlarvung des Mörders von Hamlets Vater beitragen soll. Dieses wird hier zum Spiel im Spiel im Spiel, welches – das Publikum wohnt dem Geschehen von der Hinterbühnenperspektive aus bei – vorerst hinter dem geschlossenen goldenen Prospekt verborgen bleibt. Zu hören ist Shakespeares Text wohl, zu sehen aber ist nur, was die Theaterleute, die ihre Gesichter mit viel Schminke zu voodoo-artigen Fratzen verstellt haben, vor und nach ihren Auftritten treiben.

Hier versickert nach und nach der hintergründige Witz des Beginns, erst recht von dem Moment an, wenn sich der Vorhang öffnet und den Blick in einer dritten Spielebene schliesslich auf das Geschehen auf der Bühne freigibt. Zu sehen ist dann die Schauspieltruppe, die mit ganz und gar vordergründigem Ernst den «Hamlet» gibt: mit Silvester von Hösslin in der Doppelrolle von Polonius und Claudius, Vera von Gunten als Getrude und Ophelia, Philippe Graff als Laertes sowie Bühnenbildner Stephan Weber und Techniker Demian Wohler als Rosenkranz und Güldenstern.

Warum «Hamlet»?

Zu erleben sind natürlich nur einige wenige Versatzstücke aus der nicht nur grossen, sondern auch langen Tragödie. Das Ganze wird mit viel Engagement und Virtuosität dargebracht. Und doch lässt die Spannung und das Vergnügen, dem Treiben auf der Bühne zuzuschauen, langsam aber stetig nach. Nur noch für ganz kurze Momente stellt es sich wieder ein, wenn der Regisseur die zuweilen schleppende Handlung mit Action-Einschüben aufzupeppen versucht, die aber von der Dramaturgin sogleich als unbrauchbar verworfen werden. Alles in allem kann somit der Abend das grosse Versprechen, das er mit seinem Einstieg abgibt, nur bedingt einhalten.

Am Schluss, wenn alle Figuren im fulminanten Showdown ihren Bühnentod gefunden haben, ist man wieder dort, wo alles begonnen hat. Beim Publikumsgespräch. Und bei der nach wie vor unbeantworteten Frage: «Warum Hamlet?»

 

«Hamlet. Anschliessend Publikumsgespräch»

Ein Projekt von Far A Day Cage

Regie: Tomas Schweigen, Bühne: Stephan Weber, Kostüme: Anne Buffetrille, Dramaturgie: Anja Dirks (Koproduktion: Theaterhaus Gessnerallee Zürich, WUK Wien, Kaserne Basel, Migros-Kulturprozent)

Mit: Philippe Graff, Vera von Gunten, Silvester von Hösslin, Jesse Inman, Linda Best, Tomas Schweigen, Stephan Weber, Demian Wohler

Weitere Vorstellungen: 29. und 31.3., 20.00 Uhr

Kaserne Basel

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