Hans Flatscher, Cheftrainer des Schweizer Frauenteams, äussert sich im Interview zum Doppelsieg in der WM-Kombination von Wendy Holdener und Michelle Gisin.
Hans Flatscher, neben dem Pech von Lara Gut gibt es heute sehr viel Erfreuliches. Gold und Silber in der Kombination – was bedeutet das für Sie?
«Schon nach der Abfahrt hatte ich grosse Freude gehabt, denn das war heute das Fundament für dieses Ergebnis. In dieser Disziplin haben wir gezielt forciert, dass da eine Entwicklung stattfindet – immer mit Blick auf die Kombination. Es war immer eine gewisse Gratwanderung mit dem Abfahrtstraining auf Kosten des Slaloms. Im Slalom wollen wir ja auch gut sein. Es hat deshalb viele Diskussionen gegeben, wie man das am besten macht. Wenns dann so gut läuft, bist du ganz einfach brutal froh. Mein Dank gilt auch all den Trainern, die mit dabei sind.»
Es gibt ja einen grossen Plan dahinter. Es ist nicht Zufall, dass Wendy Holdener und Michelle Gisin hier auf dem Podest stehen. Schon vor Jahren hat man bei Swiss-Ski mit einem Programm begonnen, in dem die Technikerinnen vermehrt auch auf die Speed-Seite gehen.
«Ja. Aber wir sind das relativ langsam angegangen, obwohl wir natürlich das Bedürfnis gehabt hatten, sie schneller im Speed-Bereich zu bringen. Wir haben aber die Geduld gehabt und sie Schritt für Schritt herangeführt und dabei immer den Schwerpunkt auf die Technik gelegt. Je näher die WM gerückt ist, desto mehr haben wir die Kombi im Kopf gehabt und im Speed-Teil mehr gemacht.»
Ein paar Worte zu Wendy Holdener.
«Super, wie die heute die Abfahrt gefahren ist, wie sie sich reingehängt und wie eine Löwin gekämpft hat. Das war grossartig. Sie fährt mit soviel Herzblut und so respektlos, obwohl sie ja im Verhältnis wenig im Speed-Bereich fährt. Dass sie Slalom fahren kann, wissen wir ja alle.»
Michelle Gisin stand im Dezember in Val d’Isère das erste Mal im Weltcup auf dem Podest. Sie hat einen Riesenschritt nach vorne gemacht.
«Speziell in der Abfahrt hat sie eine gute Entwicklung hingelegt. Schritt für Schritt hat sie sich die Ausgangslage in der Abfahrt geschaffen und dann dem Druck standgehalten. Beide haben gewusst, dass sie auch einen guten Slalom fahren müssen. In einem Heimrennen vor so einem Publikum will es ja jede besonders gut machen. Aber das bringt auch etwas mehr Spannung als sonst. Dass sie dann all dem gerecht werden, verdient Respekt.»
Haben Holdener, Gisin und Denise Feierabend denn mitbekommen, was mit Lara Gut war?
«Ja. Aber in einer solchen Situation muss jede für sich selbst schauen, das ist allen dreien gut gelungen. Ich darf auch meine Trainer loben, die bemüht waren, das Vorbereitungsprogramm wie gewöhnlich abzuspulen.»
Von Holdener und Gisin haben wir gesprochen. Der 4. Rang von Feierabend ging an diesem Jubeltag unter.
«Für Denise ist das ein Super-Resultat, aber an einer WM ist dieser Platz halt undankbar. Leider war bei ihr in der Abfahrt die Sicht nicht mehr so gut. Trotzdem zeigte sie da eine gute Leistung, ebenso am Nachmittag im Slalom.»
Noch ein kurzer Blick nach vorne. Ihr Team hat in zwei WM-Rennen drei Medaillen gewonnen. Können die Schweizerinnen in der Abfahrt am Sonntag also befreit auftrumpfen?
«Einige haben eine Medaille gewonnen, andere hingegen wollen noch eine. Aber auch die, die schon eine Medaille in ihrem Besitz haben, werden das am Start ausblenden und es erneut versuchen. Aber klar, ein gewisser Ballast ist dank den bisherigen Ergebnissen weg.»
Und was trauen Sie Wendy Holdener im WM-Slalom in einer Woche zu?
«Dieser WM-Titel ist natürlich die beste Medizin auch für den Slalom. Da hat Wendy in dieser Saison mit ihren sechs Podestplätzen bewiesen, dass sie mit Druck umgehen kann.»