«Pulp Fiction» war der zweite Film von Quentin Tarantino – und ist auch zwanzig Jahre später noch sein prägendster.
24 Stunden in Los Angeles. Ein Auftragskiller muss die Frau eines Gangsterbosses eine Nacht lang unterhalten. Ein abgehalfterter Boxer lässt sich bestechen, dass er in der fünften Runde zu Boden geht. Ein verliebtes Pärchen ist auf Überfalltour. Drei stereotype Konstellationen, die in jeden Schundkrimi passen und die immer gleich enden: Der Killer geht mit der Frau ins Bett, der Boxer verliert seine Ehre, das Pärchen stürzt in den gemeinsamen Untergang.
Nicht so in «Pulp Fiction». Quentin Tarantino war 31 und hatte als Ex-Videothekar genug schlechte Filme gesehen, um diese schablonenhaften Figuren nicht neu zu beleben. Der Killer rettet die Gangsterbraut mit einer Spritze ins Herz vor einer tödlichen Heroindosis. Der Boxer bescheisst den Mafiaboss, befreit ihn danach aus einem Folterkeller und braust auf einem Chopper (kein Motorbike) mit der Freundin hinten drauf in die Freiheit. Und das Pärchen macht, nachdem es an zwei noch härtere Gangster geraten ist, in einem Gespräch über eine fiktive Bibelstelle über Barmherzigkeit und Bekehrung den ersten Schritt zur Läuterung.
«Pulp Fiction» richtet seine Figuren, die sonst in diesem Genre relativ flott und gesichtslos ihr Ende finden, zu Charakteren auf, die davonkommen können. Und die Rollen danken es ihm zurück: Unvergessen Bruce Willis als Boxer Butch, der in einem Shop nach der richtigen Gefechtswaffe gegen die Schinder im Keller sucht. Nach Hammer, Baseballschläger und Motorsäge zieht er schliesslich ergriffen ein Samuraischwert aus der Scheide.
Gross auch die Stillung der heimlichen Sehnsucht, John Travolta fast zwanzig Jahre nach «Saturday Night Fever» noch einmal tanzen zu sehen. Und von nahezu talmudischer Tiefe, wie Jules und Vincent zwischen ihren Exekutionstouren über die Sinnlichkeit von Fussmassagen, Pommes-frites-Verzehr und göttliche Intervention fabulieren.
So findet diese wuchtige Gangsterklamotte vor allem zwischen ihren Handlungsschritten statt: in der exzessiven Fluchsprache, den irren Dialogen, dem ungelösten (und für die Handlung vollkommen irrelevanten) Rätsel, was jeweils gülden aus dem gesuchten Koffer mit der Verschlussnummer 666 schimmert – und der Musik. Der Soundtrack zu «Pulp Fiction» war selbst ein Grosserfolg, verschaffte Dusty Springfields «Son Of A Preacher Man» einen zweiten Frühling, und machte, mitten in den Neunzigern, mit Dick Dales «Misirlou» im Vorspann den Surfrock wieder populär. «Pulp Fiction», dieses Jahr zwanzig Jahre alt, hat den Gangsterfilm nachhaltig verändert, wurde oft kopiert, etwa von Guy Ritchie, und bleibt bis heute unerreicht.
John Travoltas Karriere war bereits am Ende, als Tarantino ihm die Rolle des Auftragskillers Vincent Vega anbot – weil «noch niemand Travolta hatte töten sehen». 150’000 Dollar soll Travolta für seine letzte Chance erhalten haben, er nutzte sie. Jahrelang war er von seiner Rolle als Discotänzer aus der Frühzeit seiner Karriere geprägt. Seit «Pulp Fiction» läuft Travolta in der Mehrheit seiner Filme mit einer Knarre rum. Am 18. Februar feiert der Schauspieler und überzeugte Scientology-Anhänger seinen 60. Geburtstag.