Ja zum Radio- und Fernsehgesetz (RTVG): Das Stimmvolk hat das neue Gebührensystem äusserst knapp angenommen, mit 50,08 Prozent. Weil das Schwarzhören und -sehen nicht mehr möglich ist, sinken die Gebühren.
Das Resultat vom Sonntag könnte als eines der knappsten in die Geschichte eingehen. Einige Tausend Stimmen gaben den Ausschlag. Die Diskussionen über den Service public indes werden weitergehen.
Deutlich Ja sagten die Stimmenden in der Romandie. Die höchste Zustimmung erhielt das neue Gesetz in den Kantonen Waadt und Genf mit je rund 62 Prozent, gefolgt von Neuenburg mit 60 Prozent und dem Jura mit 59 Prozent. Eine Ausnahme bildete der zweisprachige Kanton Wallis. Er lehnte die Gesetzesänderung mit 54 Prozent ab.
Tiefer Röstigraben
In der Deutschschweiz wiederum sagten lediglich zwei Kantone Ja, die Kantone Basel-Stadt und Graubünden mit je rund 51 Prozent. Die übrigen Deutschschweizer Kantone sowie der Kanton Tessin stimmten Nein, am deutlichsten die Kantone Schwyz und Appenzell Innerrhoden mit rund 60 Prozent, gefolgt von Obwalden mit 59 Prozent.
Der Ausgang der Abstimmung war im Vorfeld ungewiss gewesen. Zuletzt hatte sich eher ein Nein abgezeichnet. Zwar konnten die Meinungsforscher keinen klaren Trend ausmachen. In der zweiten Trendumfrage des Instituts gfs.bern lagen aber die Gegner leicht vorne.
Keine Billag-Kontrollen mehr
Mit dem Ja ist nun der Weg frei für ein neues Gebührensystem: Die geräteabhängige Gebühr wird durch eine allgemeine Abgabe ersetzt. Damit will das Parlament der Tatsache Rechnung tragen, dass die meisten Haushalte über Empfangsgeräte verfügen, da Radio- und TV-Programme heute auch auf dem Handy und dem Computer empfangen werden können.
Die Anmeldung bei der Billag entfällt, und auch Kontrollen braucht es keine mehr. Während einer fünf Jahre dauernden Übergangsfrist können sich Medienabstinente von der Gebühr befreien lassen. Dauerhaft befreit sind alle Bewohnerinnen und Bewohner von Alters- und Pflegeheimen.
Doch ein Portemonnaie-Entscheid
Weil es keine Schwarzseherinnen und Schwarzhörer mehr gibt, wird die Gebühr sinken – nach Angaben des Bundesrates auf rund 400 Franken. Dies dürfte der Grund dafür sein, dass das Volk am Ende doch Ja gesagt hat.
Im Abstimmungskampf war es dem Gewerbeverband, der das Referendum ergriffen hatte, noch gelungen, diesen Aspekt in den Hintergrund zu drängen. Die Debatten drehten sich um den Service public und das Programm der SRG, als gälte es zu entscheiden, welche Sendungen mit Gebührengeldern finanziert werden sollen.
Umstrittene Kampagne
Mit den tieferen Gebühren würden die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger bloss getäuscht und in eine Falle gelockt, suggerierte der Gewerbeverband mit blutigen Bildern. Im Grunde gehe es um eine neue Steuer, die bald auf 1000 Franken steigen werde.
Möglicherweise haben die Gegner den Bogen damit überspannt. Die aggressive Kampagne löste Kritik aus, auch bei Verbündeten. Gewerbeverbandspräsident und SVP-Nationalrat Jean-François Rime wurde vorgeworfen, falsche Behauptungen zu verbreiten und sich im Ton zu vergreifen.
Grossunternehmen bezahlen mehr
Dass der Gewerbeverband gemeinsam mit SVP, GLP und FDP das Gesetz bekämpfte, hängt mit den neuen Regeln für Unternehmen zusammen. Zwar werden rund drei Viertel der Unternehmen – jene mit einem Umsatz von unter 500’000 Franken pro Jahr – von der Abgabe befreit, und Unternehmen mit einem Umsatz von 500’000 bis zu einer Million Franken müssen weniger bezahlen als heute.
Bei einem Umsatz von einer Million Franken liegt die Abgabe aber bei 1000 Franken und soll dann stufenweise steigen. Grossunternehmen dürften mit dem Ausgang der Abstimmung also nicht zufrieden sein. Dafür profitieren private Radio- und Fernsehveranstalter. Sie erhalten künftig einen grösseren Anteil aus dem Gebührentopf – bis zu 81 Millionen Franken im Jahr statt 54 Millionen.
Diskussionen gehen weiter
Die Diskussionen über die Radio- und Fernsehgebühren sind mit dem Ja von Sonntag nicht zu Ende. SRG-Kritiker sammeln Unterschriften für eine Volksinitiative zur Abschaffung der Gebühren. Eine erste Initiative mit diesem Anliegen war nicht zustande gekommen.
Weitergehen wird auch die Diskussion über die Frage, wie viel Service public es braucht und was darunter fällt – eine Frage, die aus Sicht der Verlierer vom Sonntag vor der Abstimmung über das Gebührensystem hätte geklärt werden sollen. Im Departement von Medienministerin Doris Leuthard ist ein Bericht in Arbeit, der zu Änderungen führen könnte.
Heute haben Radio und Fernsehen laut der Bundesverfassung den Auftrag, zur Bildung und kulturellen Entfaltung, zur freien Meinungsbildung und zur Unterhaltung beizutragen. Sie sollen die Ereignisse sachgerecht darstellen und die Vielfalt der Ansichten angemessen zum Ausdruck bringen.