«Heiler» bleibt auch in der Nacht in seiner Wohnung verschanzt

Statt vor Gericht zu erscheinen, hat sich der «Heiler von Bern» gestern Nachmittag in seiner Wohnung verschanzt. Die Polizei ist weiterhin mit einem Grossaufgebot vor Ort. Ein Ende des Polizeieinsatzes ist nicht absehbar.

Die Polizei riegelt das Gebiet um das Haus ab (Bild: sda)

Statt vor Gericht zu erscheinen, hat sich der «Heiler von Bern» gestern Nachmittag in seiner Wohnung verschanzt. Die Polizei ist weiterhin mit einem Grossaufgebot vor Ort. Ein Ende des Polizeieinsatzes ist nicht absehbar.

Die Nacht sei jedoch ruhig verlaufen, sagte Daniela Sigrist von der Kantonspolizei Bern auf Anfrage. Das Gebiet um das Wohnhaus des Mannes in Bern bleibe weiträumig abgesperrt.

Der Mann ist bewaffnet. Die Polizei hatte ihn im Verlauf des Nachmittags verschiedentlich gesichtet und ist mit ihm in Kontakt getreten.

Einmal kam der Angeschuldigte, bewaffnet mit einem Schwert und einem Messer kurz nach draussen, verschwand dann aber wieder im Haus. Die Polizei habe er bei seinem kurzen Auftauchen nicht angegriffen, sagte Andreas Hofmann, Sprecher der Berner Kantonspolizei an einem Point de Presse vor Ort.

«Physisch und psychisch erschöpft»

Der Angeklagte war gestern Morgen zum zweiten Mal in Folge nicht vor Gericht erschienen. Er leide an einer «akuten psychischen und physischen Erschöpfung», hiess es in einer E-Mail, die der Verteidiger dem Gericht vorlegte und die von der Ärztin des Mannes stammen soll. Bis Ende Woche könne er dem Prozess nicht beiwohnen.

Damit gab sich das Gericht nicht zufrieden. Es liege kein eigentliches Arztzeugnis vor, stellte Gerichtspräsident Urs Herren fest. Das Gericht wollte «wissen, was Sache ist» und stellte deshalb einen Vorführungsbefehl aus.

Als die Polizei den selbsternannten «Heiler» an seinem Wohnort in Bern abholen wollte, habe dieser sich nicht kooperativ verhalten, sagte ein Polizeisprecher.

Der Mann befand sich bislang auf freiem Fuss. Die bernische Justiz hatte ihm ursprünglich auferlegt, den Kanton nicht zu verlassen und sich jeden Tag persönlich bei der Polizei zu melden. Das Bundesgericht strich aber die meisten Auflagen wegen Unverhältnismässigkeit.

15 Jahre gefordert

Ungeachtet der Polizeiaktion wurde der Prozess gegen den selbsternannten Heiler und Musiklehrer am Regionalgericht Bern-Mittelland am Donnerstagnachmittag fortgesetzt. Dem Angeschuldigten wird vorgeworfen, 16 Menschen vorsätzlich mit HIV infiziert zu haben. Er bestreitet alle Vorwürfe.

Staatsanwalt Hermann Fleischhackl forderte am Nachmittag in seinem rund fünfstündigen Plädoyer die höchstmögliche Freiheitsstrafe von 15 Jahren. «Direkte Beweise» für die Schuld des Angeklagten gebe es zwar nicht, räumte der Staatsanwalt ein.

Die Indizienkette spreche aber eine klare Sprache. Alle Indizien zusammen liessen jeden vernünftigen Zweifel an der Schuld des «Heilers» ausschliessen.

«Taten minutiös vorbereitet»

«Der Beschuldigte hat seine Taten minutiös vorbereitet», betonte Fleischhackl. Dabei sei er skrupellos vorgegangen und habe das Vertrauen seiner Musikschüler und Patienten missbraucht.

Warum der Beschuldigte die Menschen infiziert habe, sei unklar, räumte Fleischhackl ein. Doch für eine Verurteilung müsse einem Täter bekanntlich auch kein Motiv nachgewiesen werden.

Der Prozess wird heute Nachmittag mit den ersten Plädoyers von Opferanwälten fortgesetzt. Die Verteidigung ist am kommenden Montag am Zug. Das Urteil wird am nächsten Donnerstag (21.) oder Freitag (22. März) erwartet.

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