Neuer Eklat um den Henri-Nannen-Journalistenpreis: Aus Protest gegen die NS-Vergangenheit des Namensgebers und «Stern»-Gründers Henri Nannen will der diesjährige Preisträger Jacob Appelbaum eine mit der Auszeichnung erhaltene Skulptur einschmelzen lassen.
«Ich lehne es ab, den Namen zu tragen und den Kopf eines Mannes zu präsentieren, der Propaganda für die Nazis gemacht hat», sagte Appelbaum bei seiner Rede zur Eröffnung des Festivals «Theater der Welt» in Mannheim am Freitagabend.
Bereits in Vorjahren gab es Wirbel um den Preis, den das verleihende Medienhaus Gruner + Jahr «Deutschlands renommierteste Auszeichnung für Qualitätsjournalismus» nennt. Seine Ehrung durch die Jury stellte der amerikanische Internet-Aktivist und Vertraute von NSA-Enthüller Edward Snowden allerdings nicht infrage.
«Ich weise das Votum der Jury nicht zurück», sagte er. Appelbaum war vor einer Woche in Hamburg in der Kategorie Investigation ausgezeichnet worden. «Wenn Jacob Appelbaum dies tun will, so müssen wir das respektieren», sagte der frühere Chefredakteur des Magazins «Stern» und Mitinitiator des Henri-Nannen-Preises, Thomas Osterkorn.
Allerdings sei bekannt, dass Henri Nannen (1913-1996) Ende des Zweiten Weltkriegs Mitglied einer Kriegsberichterstatter-Kompanie war. «Er hat daraus auch keinen Hehl gemacht und später mehrfach bedauert, was er damals an Propagandazeug geschrieben hatte», erklärte Osterkorn, der selbst der Jury angehörte.
Der «Stern» habe sich unter Nannens Führung intensiv mit der Nazi-Vergangenheit und den NS-Verbrechen auseinandergesetzt. Nannen sei zudem einer der prominentesten Unterstützer von Willy Brandts Friedens- und Aussöhnungspolitik mit Osteuropa gewesen.
«Sehr beschämt»
«Henri Nannen auf seine Aktivität in der Nazi-Zeit zu reduzieren, ist also nicht angemessen», betonte Osterkorn. Appelbaum sagte mit Blick auf Nannen, er sei «sehr beschämt, einen Preis mit seinem Namen empfangen zu haben».
Bei der Preisverleihung vor einer Woche in Hamburg habe er noch geschwiegen, da er «sozialen Druck» verspürt habe. Nannen sei für ihn mit seiner jüdisch-amerikanischen Herkunft «kein Vorbild». Das Preisgeld wolle er nun zwei antifaschistischen Gruppen spenden.
Die Bundesregierung forderte er unter dem Beifall der Zuschauer auf, NSA-Enthüller Snowden Asyl in Deutschland zu gewähren. «Die deutsche Regierung sollte sich nicht von meiner Regierung einschüchtern lassen und Snowden Asyl anbieten», sagte Appelbaum.
Schon früher Ärger
Es ist nicht das erste Mal, dass es Ärger um den Nannen-Preis gibt: 2012 kam es einen Eklat bei der Verleihung. Drei Redaktoren der «Süddeutschen Zeitung» nahmen den Preis damals nicht an, weil gleichzeitig zwei Redaktoren der «Bild»-Zeitung geehrt wurden.
2011 war der Reportage-Preis in die Kritik geraten und nachträglich einem «Spiegel»-Redaktor aberkannt worden. Er hatte den bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) an seiner Modelleisenbahn beschrieben, ohne dies selbst gesehen zu haben.