Die Wasserkraftwerke, die in der Energiestrategie eine Schlüsselrolle spielen, kämpfen mit finanziellen Problemen. Die Politik diskutiert über Hilfsmassnahmen, darunter eine Abnahmegarantie und tiefere Wasserzinsen. Beides stösst jedoch auf Widerstand.
Die Energiekommission des Nationalrates will rasch handeln. Sie schlägt vor, kommende Woche Massnahmen zur Unterstützung der Wasserkraft ins Gesetz über den Um- und Ausbau der Stromnetze einzubauen. Verbraucher in der Grundversorgung sollen nur noch Strom aus Wasserkraft erhalten. Für die Werke wäre das eine Abnahmegarantie, finanziert von den Haushalten und den KMU.
Den Vorschlag hatten Stromkonzerne und Kantone in die Kommission eingebracht, eine Vernehmlassung gab es dazu nicht. Energieministerin Doris Leuthard warnte am Sonntag vor Schnellschüssen. Aus ihrer Sicht besteht keine Dringlichkeit, zumal das revidierte Energiegesetz für die nächsten fünf Jahre Unterstützung für die Wasserkraft vorsieht.
Modelle sorgfältig prüfen
Auch im Nationalrat könnte der Vorschlag der Kommission auf Ablehnung stossen. Die FDP-Fraktion beschloss am Freitag, dem Rat eine Teilung der Vorlage zu beantragen. Die Massnahmen zur Unterstützung der Wasserkraft sollen ausgegliedert und später behandelt werden, damit das Modell sorgfältig geprüft werden kann.
» Ja zur Energiestrategie 2050 – Das sind die wichtigsten Neuerungen
So könnten auch Alternativen diskutiert werden, etwa Kapazitätsmärkte. Mit solchen würden Stromkonzerne dafür entschädigt, dass sie Reserven für knappe Zeiten bereithalten.
«Interessanter Ansatz»
Der FDP-Antrag hat gute Chancen. Das sei ein interessanter Ansatz, sagte SP-Fraktionschef Roger Nordmann am Montag auf Anfrage. Die SP-Fraktion habe zwar noch nicht entschieden, aber ebenfalls über ein solches Vorgehen nachgedacht.
Ähnlich äusserte sich SVP-Fraktionschef Adrian Amstutz: Die Fraktion müsse noch entscheiden, aus seiner Sicht sei der Antrag aber zu unterstützen. CVP-Fraktionschef Filippo Lombardi wiederum geht davon aus, dass etwa die Hälfte seiner Fraktion für eine Teilung der Vorlage stimmt. Die kantonalen Interessen seien unterschiedlich, stellte er fest. Deshalb werde man auch keine Fraktionsdisziplin verlangen.
Wasserzinsen anders berechnen
Leuthard hatte am Sonntag die Betreiber der Wasserkraftwerke dazu aufgefordert, die Kosten zu senken. Erleichterungen für die Wasserkraft plant jedoch auch der Bund. Noch vor den Sommerferien will der Bundesrat eine Revision des Wasserrechtsgesetzes in die Vernehmlassung schicken.
Das Ziel ist eine neue Berechnung der Wasserzinsen. Dabei handelt es sich um das Entgelt, das die Wasserkraftwerke für die Nutzung der Ressource Wasser entrichten müssen. Die geltende Grundlage läuft 2019 aus. Wie die Zinsen künftig berechnet werden sollen, ist aber höchst umstritten.
Abhängig vom Ertrag
Heute spülen die Wasserzinsen den Standortkantonen und -gemeinden der Wasserkraftwerke jährlich über 500 Millionen Franken in die Kassen – unabhängig davon, wie rentabel die Wasserkraft ist. Zur Diskussion steht nun, zumindest einen Teil des Zinses vom Ertrag abhängig zu machen.
Eine einvernehmliche Lösung fanden die Wasserkantone und die Stromwirtschaft bislang allerdings nicht, die Verhandlungen wurden letzten Sommer ergebnislos beendet. Der Wasserwirtschaftsverband macht geltend, im Vergleich zu Werken im Ausland hätten die Schweizer Wasserkraftwerke die mit Abstand grösste Abgabenlast zu tragen.
Nicht mehr tragbar
Ein Grossteil entfällt auf den Wasserzins. Die heutige Belastung von rund 1,6 Rappen pro Kilowattstunde auf Strom aus Wasserkraft macht rund einen Viertel der Gestehungskosten aus. Damit sei die Abgabe ein nicht mehr tragbarer Kostenfaktor für die Wasserkraft geworden, schreibt der Wasserwirtschaftsverband.
Die Wasserkantone zeigen sich zwar grundsätzlich offen für neue Modelle. Dafür müssten aber akzeptable Modellparameter vorgeschlagen werden, fordern sie. Man warte nun den Vorschlag des Bundesrates ab, sagt Fadri Ramming, der Generalsekretär der Regierungskonferenz der Gebirgskantone. Klar sei aber auch, dass die Probleme, in welche die Werke durch politisch motivierte Marktverzerrungen geraten seien, nun nicht allein auf Kosten der Gebirgskantone gelöst werden könnten.
Löcher in den Kassen
Für die Gebirgskantone geht es um bedeutende Einnahmen. Der Kanton Graubünden etwa nimmt über 60 Millionen Franken aus dem Wasserzins ein, die Gemeinden erzielen Einnahmen in derselben Höhe. In vielen Gemeinden machen die Einnahmen durch Wasserzinse zwischen 20 und 40 Prozent der Gesamteinnahmen aus.
Eine Vorlage, die zu erheblichen Einnahmeausfällen in den Wasserkantonen führt, dürfte es also spätestens im Ständerat schwer haben. Auf der anderen Seite haben die betroffenen Kantone auch ein Interesse daran, dass die Wasserkraftwerke nicht Konkurs gehen. Das Bewusstsein für die Rentabilitätsprobleme von Teilen der Wasserkraft habe zugenommen, sagt Ramming. In Bern sei die Dringlichkeit von Unterstützungsmassnahmen aber noch nicht überall erkannt.
Anpassung unumgänglich
Energieexperten sehen die Anpassung der Wasserzinsen als Schlüssel dafür, die Wasserkraft wieder wettbewerbsfähig zu machen. In einem letztes Jahr veröffentlichten «White Paper» schreiben Forscher der «Swiss Competence Centers for Energy Research», eine Anpassung des Wasserzinsmechanismus sei unumgänglich, um den langfristigen Erfolg der Wasserkraft zu sichern.
Sie geben zu bedenken, dass einige Unternehmen immer noch eine Rendite erwirtschaften. Staatliche Interventionen zur Stützung der Wasserkraft sollten dem Rechnung tragen. Eine Anpassung des Wasserzinses erfordere indes einen Interessensausgleich zwischen den Akteuren.
Die Gebirgskantone erachten das Papier für unvollständig und einseitig. «Die Unkenntnis über wichtige Zusammenhänge erstaunt uns umso mehr, als auch Institutionen aus den Gebirgskantonen daran mitgewirkt haben», sagt Ramming. Was der Bundesrat vorschlägt, wird sich in den nächsten Wochen zeigen.