Hilfswerke werfen ihr Sammelnetz auch im Internet aus – mit Erfolg

In der Weihnachtszeit verstopfen Bettelbriefe nicht nur den Briefkasten, sondern auch die Mailbox. Die digitale Sammelbüchse klingelt zwar erst bescheiden. Doch bei vielen Hilfswerken ist sie bereits fester Bestandteil der Social-Media-Aktivität.

Geld wird längst nicht mehr nur mit Einzahlungsscheinen gesammelt – sondern auch mit allen Mitteln des Internets. Und das mit Erfolg.

 

(Bild: Nils Fisch)

In der Weihnachtszeit verstopfen Bettelbriefe nicht nur den Briefkasten, sondern auch die Mailbox. Die digitale Sammelbüchse klingelt zwar erst bescheiden. Doch bei vielen Hilfswerken ist sie bereits fester Bestandteil der Social-Media-Aktivität.

Im Advent stapeln sich die Einzahlungsscheine gemeinnütziger Organisationen und appellieren an unser schlechtes Gewissen. Dieses traditionelle Spendensammeln ist zwar noch immer der Königsweg der meisten Institutionen. Aber die Methode erhält Konkurrenz: Das zeigt die «Digital-Fundraising-Studie Schweiz 2015» des Online-Fundraisers RaiseNow und zweier weiterer Unternehmen, die im Bereich Online-Marketing tätig sind.

Immer häufiger warten spendefreudige Personen nicht den postalischen Aufruf von Heimatschutz, Rotem Kreuz oder WWF ab, sondern reagieren auf einen elektronischen Spendenaufruf: Sie stossen beim Surfen im Internet auf eine Geldsammlung, werden von Bekannten per Whatsapp auf eine Crowdfunding-Aktion aufmerksam gemacht oder erhalten einen Newsletter mit dem Projektbeschrieb. Bei diesen digitalen Sammelinstrumenten geht es darum, potenzielle Spenderinnen und Spender zu einem Webformular zu lotsen. Dort kann per Kreditkarte, Postcard oder Paypal eine Spende ausgelöst oder ein Einzahlungsschein generiert werden.

Tiefes Niveau, starkes Wachstum

Grundlage der Studie sind die anonymisierten Angaben von 141 Schweizer Hilfswerken aus den Jahren 2013 und 2014, wobei über 170’000 digitale Transaktionen in der Gesamthöhe von 15 Millionen Franken in die Statistik einflossen. Das Kriterium, eine Zahlung als digital zu definieren, ist der Weg der Gewinnung: Der Auslöser für die Zahlung muss digital sein, also Website, App oder SMS, selbst wenn man in der Folge einen Einzahlungsschein bestellt oder diesen als PDF herunterlädt. Nicht dazu gehören hingegen Überweisungen via Online-Banking, da sie meist die Folge konventioneller Fundraisingmethoden sind.

Digitale Spenden sind noch bescheiden, wie die separate RaiseNow-Auswertung von neun mittleren und grossen Hilfswerken zeigt: 2014 betrugen die so generierten Einnahmen bei diesen neun Organisationen 3,7 Millionen Franken oder 2,24 Prozent aller Spenden. Doch im Vergleich zum Vorjahr stiegen sie um beachtliche 44 Prozent, ihr Anteil am gesamten Spendenvolumen stieg um ein Drittel.

Deutlich tiefere Zahlen kommuniziert der Hilfswerk-Zertifizierer Zewo. Laut Spendenstatistik 2014 lag der Anteil digitaler Spenden bei allen Organisationen mit Zewo-Gütesiegel bei bloss 0,3 Prozent der gesamten Spendeneinnahmen. Die Differenz sei erklärbar, so Marco Zaugg, Geschäftsleiter von RaiseNow: «Die neun von uns betrachteten Organisationen, allesamt Schweizer Schwergewichte, haben sämtliche digitalen Zahlungen über Raise Now abgewickelt. Uns liegen somit effektive und vergleichbare Zahlen vor.» Bei der Zewo hingegen beruhe die Erhebung auf den Selbstauskünften der Organisationen, was die Aufarbeitung erschweren dürfte.

«Teil von Social Media»

Das Niveau der digitalen Spenden mag noch tief sein, doch das Potenzial ist beträchtlich, denn immer mehr Hilfswerke bauen ihre Webaktivitäten aus. Kommt dazu, dass mit dieser Methode Kosten für die Beschaffung von Werbeadressen sowie der Druck und Versand von Papiermailings entfällt. Darüber hinaus haben besonders freche Spendenkampagnen das Potenzial, als virale Werbung unter Freunden weitergereicht und zum Selbstläufer zu werden.

Doch auch Onlinespenden sind nicht gratis zu haben. Die Inhalte müssen regelmässig aufgefrischt werden, um dem Anspruch des schnellen Mediums zu genügen. Die Hilfswerke betrachten digitales Fundraising nicht als blosses Instrument zur Geldbeschaffung, erklärt Dany Demuth von der Privatspenderbetreuung bei Terre des Hommes Schweiz in Basel: «Das Spenden über unsere Website ist Teil unserer Online- und Social-Media-Aktivität.»

Die Website habe nicht nur zum Ziel, Spenden zu akquirieren. Vielmehr sollen die Newsletters und Posts die Gönnerinnen und Gönner auch für die Themen des Hilfswerks sensibilisieren, über die Fortschritte in den Projekten informieren und so Vertrauen zur Institution schaffen. «Wenn beim Besuch der Website gleich auch eine Spende ausgelöst wird, freut uns das natürlich», so Demuth. Zudem dürften die digitalen Kontakte eher von einer jüngeren Generation stammen – die sonst schwer für die Anliegen klassischer Hilfswerke zu begeistern ist.

Als eines der ersten Schweizer Hilfswerke begann Caritas 1999 während der Balkankrise, Spenden auch digital zu akquirieren. «Die Technik hat sich seither enorm gewandelt, aber das Prinzip hat sich bewährt», so Caritas-Sprecher Stefan Gribi. Für Spendenorganisationen gehöre diese Möglichkeit heute einfach dazu, so wie der Briefkasten oder die Website. Auch Caritas sieht das digitale Fundraising nicht isoliert: «Digital kommunizieren müssen wir ohnehin, also macht es auch Sinn, digital um Spenden zu bitten.»

Ein Vorteil dieses Instruments sei es zudem, dass man Personen, die sich vorerst nur im Internet über ein Thema informieren wollten, die Möglichkeit gebe, unkompliziert zu spenden. Gribi: «Dabei handelt es sich nicht nur um Junge, auch ältere Menschen schätzen das Internet und finden sich darin gut zurecht.»

Auch für Kleine lohnend

Die Digital-Fundraising-Studie macht noch weitere Aussagen, die Spendensammler interessieren dürften. So wird am Anfang der Arbeitswoche 20 bis 30 Prozent mehr digital gespendet als am Wochenende. Im Jahresverlauf passiert in den Monaten Februar bis August wenig, dann klettert die Sammelkurve stetig bis zum Topmonat Dezember an – nur ein Unglück wie der Taifun Haiyan 2013 oder die Balkan-Flut 2014 sorgen für Ausreisser.

Tröstlich ist schliesslich eine weitere Auswertung, welche die Grösse der Organisation mit der Höhe der Spende vergleicht: Ob gross oder klein, die durchschnittliche digitale Spende liegt zwischen 113 und 118 Franken. Auch für kleine Institutionen kann sich Geldsammeln im Netz der Netze also lohnen.

SMS als Kontaktbringer
Zahlreiche Organisationen nehmen auch Spenden per SMS entgegen, allerdings ist die Summe technisch auf 100 Franken limitiert. Häufig schlägt das sammelnde Hilfswerk auch nur einen kleinen Betrag von 20 Franken als Spende vor. Die Fundraising-Studie weist dazu nach, dass mit 23 Prozent der Digitalspenden zwar zahlreiche Transaktionen via SMS zusammenkommen, aber der Gesamtbetrag mit fünf Prozent bescheiden ist. Dennoch kann das Sammeln per SMS Sinn machen, so die Studie: «Organisationen können die tiefe Einstiegshürde der SMS-Spende nutzen, um neue Gönnerinnen und Gönner zu gewinnen.»

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