Die deutsche Polizei hatte Hinweise darauf, dass der mutmassliche Mörder der Genfer Sozialtherapeutin in Richtung deutsch-polnischer Grenze unterwegs sein könnte. «Es war kein Zufall», erklärte eine Polizeisprecherin der Nachrichtenagentur sda.
Aufgrund der Hinweise, aber auch der Informationen von Interpol seien die örtlichen Einsatzkräfte alarmiert gewesen. Sie hätten das Auto des Flüchtigen denn auch im Normalverkehr erkannt und seien diesem bis in die polnisch Ortschaft Kolbaskowo gefolgt, erklärte Manina Puck von der Bundespolizeiinspektion Pasewalk weiter.
«Es war keine Verfolgungsjagd, sondern eine reguläre Verfolgungsfahrt in normaler Geschwindigkeit», sagt sie gegenüber Tagesanzeiger.ch/Newsnet.
In Kolbaskowo hätten die Beamten den Citroën angehalten und den Flüchtigen festgehalten, bis die polnischen Kollegen ihn dann festgenommen hätten. Der Mann habe keinen Widerstand geleistet und auch erklärt, dass sich die Tatwaffe in seinem Rucksack befinde.
Gemäss der österreichischen Nachrichtenagentur apa hat der 39-Jährige in Polen möglicherweise nach einer ehemaligen Therapeutin gesucht. Die Polin habe sich in der Vergangenheit um den 39-jährigen gekümmert, sagte der Stettiner Polizeisprecher Przemyslaw Kimon am Montag zum möglichen Motiv für die tagelange Flucht von der Schweiz nach Polen.
Unterdessen gehen die Diskussionen auf politischer Ebene weiter.
Die Gefangenenorganisation Reform 91 bekräftigte ihre Forderung nach einheitlichen Regeln im Strafvollzug. In ihrer Resolution zu Handen des EJPD kritisiert sie die notwendige Resozialisierung als ineffizient.
Reform 91 fordert kontrollierbare Regeln, die einheitlich gelten sollen und periodisch zu überprüfen sind. Die Regeln seien zudem kriminalwissenschaftlich zu begleiten, was heute nicht geschehe.
«Resozialisierung ist in der Praxis deshalb im wesentlichen ein Schlagwort ohne kontrollierbare Ergebnisse», schreibt die Organisation am Montag in ihrer Eingabe an das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement (EJPD).
Auch warnt Reform 91 vor einer «Verpsychologisierung» des Strafrechts und des Straf- und Massnahmenvollzugs. Diese schaffe eine scheinbare Sicherheit und entlasse die Justiz und die Anstalt aus ihrer Verantwortung. «Das ist fatal und führt programmiert zu Vorfällen wie in Genf.»
Statt «Schein und Schönrednerei» fordert Reform 91 mehr Effizienz und evaluierbare Ergebnisse «für die Sicherheit der Gesellschaft und echte Resozialisierungschancen für die Insassen».
Die Gefangenenorganisation, die sich als Selbsthilfegruppe für Strafgefangene und Randständige versteht, ist seit dem Ausbruch eines Mörders und Vergewaltigers vor zwei Jahren in Neuenburg immer wieder mit ähnlich lautenden Forderungen an die Öffentlichkeit gelangt. Im März 2012 lehnte der Nationalrat eine Petition mit der Forderungen einem eidgenössischen Strafvollzugsgesetz ab.
Derzeit ist in der Schweiz der Strafvollzug in der Kompetenz der Kantone. Diese haben sich in die drei Strafvollzugskonkordate lateinische Schweiz, Nordwest- und Innerschweiz sowie Ostschweiz zusammengeschlossen.