Die Pfründe an der Spitze des Männer-Riesenslaloms scheinen vor dem Auftakt in Sölden abgesteckt. Am ehesten scheint Weltmeister Ted Ligety den Vorjahressieger Marcel Hirscher herausfordern zu können.
Marcel Hirscher hatte auf dem Rettenbach-Gletscher vor Jahresfrist den Winter mit einem hoch überlegenen Sieg eingeläutet. Es sollte der Beginn einer Saison gewesen sein, in dem der Salzburger vier weitere Male triumphierte und selbst dem zuvor in ähnlich krassem Ausmass dominierenden Ted Ligety keine Chance liess. Der Amerikaner vermochte ausgerechnet im wichtigsten Rendez-vous der Saison, bei der WM in Beaver Creek, den Spiess umzudrehen.
Hirscher sprach dieser Tage vom «steigenden Rennthermometer». Der Gesamtweltcup-Sieger der letzten vier Winter lässt damit durchblicken, dass er am Sonntag «bereit sein wird» für den ersten Akt der neuen Saison. Aufgrund der in den Trainings gefahrenen Zeiten schien nicht alles wunschgemäss gelaufen zu sein. Beunruhigende Wirkung haben diese Ergebnisse nicht. «Es besteht kein Grund zur Panik. Wenn ich auf die vergangenen Jahre zurückschaue, weiss ich, dass ich in dieser Phase noch nie am Limit gefahren bin.» Viel wichtiger sei für ihn, «fit und bis in die Haarspitzen motiviert zu sein».
Nicht nur die Rolle des Gejagten ist vergeben. Auch auf den nächsten Hierarchie-Stufen unter Hirscher scheint Klarheit zu herrschen. Neben Ligety, der Ende Juli seine langjährige Partnerin Mia Pascoe geheiratet hat, kommen als Herausforderer wie gehabt am ehesten der Franzose Alexis Pinturault, der Norweger Henrik Kristoffersen sowie die Deutschen Felix Neureuther und Fritz Dopfer infrage. Neureuther stand Anfang September erstmals nach dem am Ende der vergangenen Saison erlittenen Bandscheibenschaden wieder auf Ski. «Ich bin ohne Spritzen und Schmerzmittel über den Sommer gekommen», berichtete der Bayer, der auf die Teilnahme am Trainingslager des deutschen Teams in Ushuaia (Arg) verzichtet hatte. «Nach aktuellem Stand bin ich absolut sicher, dass der Rücken hält.» Trotz positiver Entwicklung setzte Neureuther hinter den Start in Sölden ein Fragezeichen. «Ein Restrisiko für eine Absage besteht.»
Swiss-Ski stellt für den Weltcup-Riesenslalom der Männer in Sölden eine junge, relativ unerfahrene Equipe. Das verspricht vor allem für die Zukunft wieder bessere Perspektiven.
Nach dem durch Rückenprobleme bedingten Startverzicht von Carlo Janka ist der Altersdurchschnitt in der Schweizer Delegation für den Prolog am Sonntag auf 23 Jahre gesunken. Die sieben Fahrer bringen es zusammen auf gut 100 Starts in Weltcup-Riesenslaloms, den Bestwert stellt der achte Rang dar, den Gino Caviezel im März in Kranjska Gora erreicht hat. Die Aussichten auf vordere Klassierungen sind zwar nach wie vor getrübt, gleichwohl sind im Vergleich zu den vorangegangenen Wintern in der alpinen Basisdisziplin Verbesserungen auszumachen. In der jungen Equipe steckt einiges Potenzial, das auch im Hinblick auf die Heim-WM 2017 in St. Moritz Hoffnungen nährt.
Als Beispiele dafür dienen die Einstufungen von Gino Caviezel oder Justin Murisier in der Weltcup-Startliste. Der Bündner, vor einem Jahr in Sölden noch mit der Nummer 44 gestartet, gehört nunmehr der ersten Gruppe an. Der Walliser hat im vergangenen Oktober die Nummer 55 getragen, liegt mittlerweile aber auf Platz 33. Trotz suboptimaler Startposition hatte Murisier mit Rang 12 seiner durch zwei Kreuzbandrisse ins Stocken geratenen Karriere eine erste Wiederbelebung verschafft.
Wie Murisier sind auch der Prättigauer Manuel Pleisch (Rang 31) und Elia Zurbriggen (Rang 35) auf dem Sprung in die ersten 30 der Startliste. Zudem gehört mit Loïc Meillard ein noch nicht 19-jähriger Fahrer zum Aufgebot von Swiss-Ski, der als eines der grössten Talente überhaupt gilt. Der in Neuenburg geborene und nunmehr im Wallis lebende Meillard hat im März an den Junioren-Weltmeisterschaften in Hafjell (No) einen kompletten Medaillensatz gewonnen. Dank Rang 3 in der Disziplinen-Wertung des Europacups verfügt er in diesem Winter über einen fixen Startplatz in den Weltcup-Riesenslaloms.