Trotz Siegen in vier der fünf Weltcup-Riesenslaloms des Winters sieht Marcel Hirscher an der WM Ted Ligety im Vorteil: «Ted ist definitiv der Favorit. Er ist in Beaver Creek so gut wie unschlagbar.»
In der Tat ist Ligetys Bilanz in den bisherigen Riesenslaloms in Beaver Creek beeindruckend. In den letzten sechs Weltcup-Rennen in dieser Disziplin und an diesem Hang ist der 30-jährige Amerikaner aus dem Bundesstaat Utah mit seiner imposanten Kurven-Technik fünfmal Erster und einmal Zweiter geworden.
Ligety – der Titelverteidiger und Olympiasieger – triumphierte auch, als der Weltcup vor zwei Monaten wieder in Beaver Creek Halt gemacht hatte. Damals setzte er sich vor dem Franzosen Alexis Pinturault und Marcel Hirscher durch. Für Hirscher war dies die einzige «Niederlage» im «Riesen» in dieser Saison. In Sölden, Are, Alta Badia und Adelboden war kein Kraut gegen den Österreicher gewachsen, der nun an diesen Weltmeisterschaften seine dritte Goldmedaille anpeilt.
Im Fall von Hirscher fragt sich, wie er heute mit den Verhältnissen zurechtkommt. Es wird spekuliert, dass ihm das Wetter einen Strich durch die Rechnung machen könnte. Angekündigt sind in Colorado verhältnismässig hohe Temperaturen, der Salzburger würde aber eine harte und eisige Unterlage bevorzugen.
Für die Schweizer Riesenslalom-Equipe ist ermutigend, dass auch sie einen ausgewiesenen Beaver-Creek-Spezialisten in ihren Reihen hat. Carlo Janka ist seit Anfang 2012 in seiner einstigen Parade-Disziplin, in der er Olympiasieger und Weltmeister geworden ist, nur noch zweimal in die Top Ten gefahren, er tat dies aber beide Male in Beaver Creek; vor 14 Monaten als Sechster und vor zwei Monaten als Siebenter. 2009 hatte der Obersaxer hier sogar gewonnen.
Woran liegt es, dass ihm dieses Terrain in diesem Masse behagt? «Die Aufgabe ist in der Regel nicht allzu schwierig. Das Gelände und die Kurssetzung sind normalerweise gut zu meistern. Und den Schnee hier mag ich auch. Die grosse Herausforderung besteht darin, dass man weiss, wie man auf dieser Strecke schnell sein kann. Es kommt mir einfach vieles entgegen», sagt Janka. Einen tiefen Schwierigkeitsgrad sieht auch Landsmann Justin Murisier. Er sprach sogar von einem «Damen-Hang».
Janka ist der Meinung, dass die Schweizer unbelastet antreten können. «Wir sind nicht die Top-Favoriten. Und jetzt, da Patrick Küng und Beat Feuz für uns Männer Medaillen geholt haben, ist der grosse Druck weg.» Dennoch mochte Janka die Erwartungen nicht allzu weit in die Höhe schrauben. Ihm ist bewusst, dass im «Riesen» sein Abstand zu den Stärksten der Zunft grösser ist als in den Disziplinen mit Speed-Bezug. Es müsse schlichtweg alles aufgehen, damit er auf eine Spitzen-Klassierung hoffen dürfe, so Janka.
Seine Teamkollegen im Riesenslalom sind Gino Caviezel, Justin Murisier und Elia Zurbriggen. Für sie geht es primär darum, zusätzliche Erfahrungen zu sammeln und weiter an der Konstanz zu arbeiten. Von ihnen Medaillen zu verlangen wäre mehr als vermessen. Caviezel als Neunter in Alta Badia und Zurbriggen als 13. in Are konnten in dieser Saison immerhin ihre besten Weltcup-Resultate erzielen, Murisier empfahl sich als Zwölfter in Sölden für die WM. Zurbriggen ist ein absoluter Neuling an Grossanlässen. Er hatte bisher nicht einmal bei den Junioren einen WM-Einsatz absolviert.
Für die aufstrebenden Schweizer wäre es wichtig, heute in die Top 15 zu kommen, um Punkte zu erhalten für eine bessere Position in den Startlisten. Dass eine hohe Nummer bei gewissen Pistenbedingungen problematisch sein kann, musste beispielsweise Zurbriggen im Januar in Adelboden erfahren.
Zu denen, die in die Phalanx von Hirscher und Ligety einbrechen wollen, gehören die Deutschen. Obwohl er im Slalom besser in Form ist, will Felix Neureuther auch im Riesenslalom etwas reissen. Der Bayer hatte allerdings alles andere als einen gelungenen WM-Start.
Nach dem Team-Event, in dem die Deutschen bereits in der ersten Runde überraschend ausgeschieden waren, kritisierte er die Trainer und Funktionäre seines Verbands. Neureuther war verärgert über die Personalwahl im Parallel-Wettkampf. Für ihn war es unverständlich, dass Slalom-Spezialistin Lena Dürr letztlich nur eine Ersatz-Rolle blieb. Dürr vorgezogen wurden Viktoria Rebensburg und Veronique Hronek, die sich dann einen Kreuzbandriss zuzog.