Zum ersten Mal seit dem Sturz von Langzeitherrscher Zine el Abidine Ben Ali ist ein französischer Präsident nach Tunesien gereist. François Hollande traf am Donnerstagnachmittag zu einem zweitägigen Staatsbesuch im Ursprungsland des arabischen Frühlings ein.
Nach einem Empfang durch Präsident Moncef Marzouki wollte er unter anderem Regierungschef Ali Larayedh, Oppositionspolitiker und Vertreter der Zivilgesellschaft treffen. Das Verhältnis zwischen Paris und Tunis gilt seit der Revolution und dem Sturz Ben Alis im Januar 2011 als nicht immer einfach.
Zuletzt gab es Spannungen wegen der einmonatigen Inhaftierung von europäischen Aktivistinnen der Frauenrechtsgruppe Femen. Die zwei Französinnen sowie eine Deutsche waren wegen eines Oben-Ohne-Protests vor dem Justizpalast in Tunis zu vier Monaten Gefängnis verurteilt worden. Erst in der vergangenen Woche hatte ein Berufungsgericht die Strafe zur Bewährung ausgesetzt.
Im Januar hatte hingegen Frankreichs Innenminister Manuel Valls für Empörung bei Vertretern der islamistischen Regierungspartei Ennahda gesorgt. Er warnte nach einem Mordanschlag auf einen Oppositionspolitiker öffentlich vor «islamischen Faschismus».
Valls war im Gegensatz zu zahlreichen anderen Regierungsmitgliedern und Hollandes Lebensgefährtin Valérie Trierweiler nicht beim Staatsbesuch dabei.
Empörung Unterstützung für Ben Ali
Selbst in liberalen Bevölkerungsteilen gibt es zudem noch immer Empörung über Frankreichs Politik während der Revolution. Als die Polizei in dem nordafrikanischen Land bereits mehrere Demonstranten erschossen hatte, bot die damalige Aussenministerin Michèle Alliot-Marie dem Präsidenten Ben Ali noch Unterstützung für dessen Polizei an. Staatschef in Frankreich war damals Nicolas Sarkozy.
Menschenrechtsorganisationen riefen dessen sozialistischen Nachfolger Hollande nun auf, die von moderaten Islamisten dominierte Regierung in Tunis zu mehr Engagement für Bürgerrechte aufzufordern. Sie bemängeln unter anderem Defizite bei der Informationsfreiheit.