Die staatliche Heroinabgabe sei zwar ein Erfolgsmodell, es bestünden aber noch immer Hürden für die Süchtigen. Zu diesem Schluss kommen Suchtexperten genau fünf Jahre, nachdem das Volk diese Drogenpolitik gesetzlich verankert hat.
Heroinabgabestellen fänden sich vor allem in den grossen Städten, sagte Toni Berthel von der Schweizerischen Gesellschaft für Suchtmedizin SSAM am Donnerstag bei einer Medienkonferenz in Bern. In ländlichen Gebieten – so in weiten Teilen der Innerschweiz – hätten Süchtige hingegen keine Möglichkeit, die staatliche Heroinabgabe zu nutzen.
Grund dafür sei einerseits der fehlende politische Wille, sagte Berthel. Andererseits konzentriere sich die Drogenabgabe aber auch aufgrund der regulatorischen Vorschriften in den Städten. Für die Zukunft gelte es Wege zu finden, Süchtigen in der ganzen Schweiz einen Zugang zu ermöglichen.
Für die Bilanzmedienkonferenz fünf Jahre nach der Revision des Betäubungsmittelgesetzes luden die Suchtfachverbände in die Anlaufstelle in Bern. Die Bundesstadt hatte 1986 das erste «Fixerstübli» der Schweiz eingerichtet.
Heute dominiert gegenseitiger Respekt
Ein «drogenpolitisches Erdbeben» sei das gewesen, sagte Jakob Huber, Geschäftsleiter der Stiftung Contact Netz, die Suchthilfe im Kanton Bern anbietet. Über die Jahre habe sich das Verhältnis zwischen der Drogenhilfe und der Polizei verbessert. Aus gegenseitigem Misstrauen wurde Respekt.
Zu Beginn der 1990-er Jahre folgten weitere Städte dem Berner Modell. Sie richteten Fixerräume ein, die heute «Kontakt- und Anlaufstellen» heissen. Der Bund initiierte die kontrollierte Heroinabgabe an Süchtige.
Vor fünf Jahren wurde die bereits jahrelang praktizierte Vier-Säulen-Politik (Prävention, Behandlung und Wiedereingliederung, Schadenminderung, Repression) auch gesetzlich verankert: Die Schweizer Stimmbevölkerung sprach sich mit 68 Prozent für die Revision des Betäubungsmittelgesetzes aus.
Auch Opfer des Erfolgs
Die Suchtexperten bezeichneten die 4-Säulen-Politik sowie die Substitutionsbehandlung mit Methadon am Donnerstag als «Erfolgsgeschichte». Gemäss Toni Berthel von der Schweizerischen Gesellschaft für Suchtmedizin ist der Erfolg auch messbar: Die Zahl der Todesfälle von Drogensüchtigen sowie die Drogenkriminalität habe stark abgenommen.
Der Erfolg habe aber auch Nachteile, sagte Berthel. Zu Zeiten der offenen Drogenszene sei das Elend für die Öffentlichkeit sichtbar gewesen. Heute seien die negativen Folgen des Drogenkonsums kaum mehr spürbar und gingen deshalb zuweilen vergessen.
Die Suchtfachverbände warnen vor diesem Hintergrund davor, ihre Budgets zu kürzen. Das Drogenproblem sei komplex und weniger Geld habe starke Auswirkungen auf die Sicherheit im öffentlichen Raum sowie die soziale Integration der Betroffenen.