In Pakistan haben die Proteste gegen die Regierung am Samstag eine gewaltsame Wendung genommen: Bei heftigen Zusammenstössen im Regierungsviertel von Islamabad wurde ein Mensch getötet, 400 weitere wurden verletzt, wie die Rettungsdienste mitteilten.
Die Polizei setzte Tränengas und Gummigeschosse gegen die vom Politiker Imran Khan und dem Prediger Tahir ul-Qadri angeführten Demonstranten ein, als sie das Haus des Premierministers zu stürmen versuchten. Seit zwei Wochen belagern tausende Anhänger der Opposition das Regierungsviertel in Islamabad und fordern den Rücktritt von Premierminister Nawaz Sharif, dem sie die Fälschung der Parlamentswahl im Mai 2013 vorwerfen.
Am Samstagabend nahm der Konflikt dann eine gewaltsame Wendung, als rund 25’000 Demonstranten vom Parlament zum Sitz des Premiers marschierten. Die Polizei setzte daraufhin Tränengas und Gummigeschosse ein.
Islamabads Polizeichef Khalid Khattak sagte, die Polizei habe sich zurückgehalten, doch seien die Demonstranten mit Äxten und Hämmern bewaffnet gewesen. Sie hätten einen Kran zum Eingang der Präsidentschaft gefahren.
«Wir benutzen nur Tränengas und feuern Gummigeschosse wo notwendig», sagte Khattak. Eisenbahnminister Khawaja Saad Rafique sagte, die Demonstranten hätten mit einem Kran das Eingangstor des Hauses von Sharif auszureissen versucht.
«Ausgebildete Terroristen»
Verteidigungsminister Khawaja Asif sagte, es gebe «1600 bis 2000 ausgebildete Terroristen». «Sie haben 200 Frauen, die im Gebrauch von Schusswaffen ausgebildet sind und hierher gekommen sind, um Staatsgebäude zu besetzen», sagte Asif.
Diese Gebäude seien «die Symbole des Staates» und die Regierung werde sich «mit ganzer Kraft» gegen die Versuche zu ihrer Besetzung zur Wehr setzen. Auch aus Lahore im Osten und der Küstenstadt Karachi wurden Proteste gemeldet, wobei es in Lahore auch Zusammenstösse gab.
Die beiden wichtigsten Spitäler in Islamabad teilten mit, sie hätten mehr als 420 Verletzte erhalten, darunter etwa 80 Polizisten und 60 Frauen. Zudem sei ein Toter eingeliefert worden, der offenbar einem Herzinfarkt erlag.
Trotz der in der Nacht zu Sonntag andauernden Gewalt hielten sich die Soldaten und Paramilitärs, die den Amtssitz von Sharif bewachen, zurück. Aus Lahore im Osten und der Küstenstadt Karachi wurden ebenfalls Proteste gemeldet, wobei es in Lahore auch Zusammenstösse gab.
Vorwurf der Wahlfälschung
Die Demonstranten fordern den Rücktritt von Sharif und vorgezogene Neuwahlen. Die Opposition wirft Sharif vor, die Parlamentswahl im Mai 2013 gefälscht zu haben, die seine Pakistanische Muslimliga mit breiter Mehrheit gewann. Die Partei von Imran Khan landete damals auf dem dritten Platz.
Internationale Beobachter werteten die Abstimmung jedoch als frei und fair. Nach Einschätzung von Politologen könnten die Proteste von der Armee koordiniert sein, um ihre Dominanz über die zivile Regierung zurückzuerlangen.
Sharif lehnt einen Rücktritt ab, appellierte aber Anfang der Woche an die Armee, in dem Konflikt mit der Opposition zu vermitteln. Ein Vertrauter machte am Samstag die Demonstranten für die Eskalation verantwortlich. Sie hätten das Haus von Sharif besetzen wollen, um dort einen Sitzstreik abzuhalten, sagte Asif Kirmani.
Der Prediger Tahir ul-Qadri, der die Proteste mit anführt, gab dagegen der Polizei die Schuld für die Zusammenstösse. Khan seinerseits kündigte an, die Proteste bis «zum letzten Atemzug» fortzuführen.