Bei landesweiten Demonstrationen sind in Ägypten hundertausende Gegner des abgesetzten Staatschefs Mohammed Mursi zusammengeströmt. In der Hauptstadt Kairo versammelten sich am Sonntagabend die Mursi-Gegner insbesondere auf dem Tahrir-Platz, aber auch vor dem Präsidentenpalast.
Zehntausende Anhänger Mursis versammelten sich derweil zu Gegendemonstrationen in der Nähe der Universität von Kairo, im Viertel Giseh und vor einer Moschee im Vorort Nasr City. Sie blockierten die Hauptzufahrtsstrasse zum internationalen Flughafen von Kairo und kritisierten Mursis Entmachtung als Putsch, der das Ergebnis freier Wahlen missachte.
Auch in anderen Landesteilen, insbesondere in der nordägyptischen Metropole Alexandria, gab es Kundgebungen. Mancherorts waren Schüsse zu hören. Am Freitag waren bei Zusammenstössen von Gegnern und Anhängern des abgesetzten islamistischen Präsidenten mindestens 37 Menschen getötet und mehr als 1400 weitere verletzt worden.
Die Armee hatte Mursi am Mittwoch nach Massenprotesten abgesetzt. Als Übergangspräsident wurde der oberste Verfassungsrichter Adli Mansur eingesetzt. Dieser versuchte am Sonntagabend erneut erfolglos eine Übergangsregierung zu bilden.
Al-Nur-Partei sperrt sich
Die salafistische Al-Nur-Partei sperrte sich nach Angaben des Nachrichtensenders Al-Arabija auch gegen den neuen Favoriten für den Posten des Regierungschefs, den Sozialdemokraten Siad Bahaa al-Din.
Zuvor hatte die Al-Nur-Partei bereits Friedensnobelpreisträger Mohammed El Baradei als Chef der Übergangsregierung abgelehnt. «Wir können nicht von nationaler Versöhnung sprechen und dann Mursis ärgsten Gegner zum Ministerpräsidenten machen», sagte Nader Bakkar von der Al-Nur-Partei.
Mursi hatte vor einem Jahr die ersten freien Präsidentschaftswahlen in Ägypten gewonnen. Seine Gegner warfen ihm vor, nur die Interessen der Islamisten zu vertreten und Ägyptens kriselnde Wirtschaft nicht in Gang zu bringen.