«Ich mag es, wenn ein Regisseur mich klar anweist»

Joel Basman dreht zur Zeit in Dänemark. In «Vielen Dank für Nichts» spielt er einen Jugendlichen, der nach einem schweren Unfall in einem Schweizer Behindertenheim landet. Ein Gespräch. Joel Basman dreht zur Zeit in Dänemark. In «Land of Mine» spielt er einen Kriegsgefangenen, der am Strand Minen entschärfen muss, für die Gegner. Nach «Monuments Men» […]

Joel Basman dreht zur Zeit in Dänemark. In «Vielen Dank für Nichts» spielt er einen Jugendlichen, der nach einem schweren Unfall in einem Schweizer Behindertenheim landet. Ein Gespräch.

Joel Basman dreht zur Zeit in Dänemark. In «Land of Mine» spielt er einen Kriegsgefangenen, der am Strand Minen entschärfen muss, für die Gegner. Nach «Monuments Men» von George Clooney hat der Schweizer Schauspieler sich in der internationalen Filmszene etabliert.

In «Vielen Dank für Nichts», der jetzt im Kino läuft, spielt er einen Jugendlichen, der nach einem schweren Unfall in einem Behindertenheim landet.

«Vielen Dank für Nichts» ist nur auf den ersten Blick ein Film über Behinderte. Ein junger Erwachsener, der in seiner ganzen Umgebung plötzlich nur alle als behindert empfindet – das kann auch ein «normaler» Jugendlicher mal erleben. Hatten Sie solche Zeiten?

Joel Basman: Klar. «Normalos» entwickeln ihre ganz eigenen Drucksituationen, in denen sie sich wie «Spastis» benehmen.

Wie in der Pubertät?

Solche Zeiten kommen immer wieder. Es gibt im Leben auch heute Situationen, wo ich hilflos vor dem Postschalter losschreien möchte, weil der gute Beamte hinter Glas einem etwas schräg kommt. Es gab auch Zeiten, in denen ich – ohne Rollstuhl, wie Valentin im Film – mir mehr erlauben wollte. Valentin tut es dann auch mit seinen beiden Freunden im Rollstuhl. Er geniesst seine Narrenfreiheit und ihre Freiheit. 

Ihre Schauspieler-Kollegen in dem Film von George Clooney waren Weltstars. Dann spielen Sie mit Bastian und Nikki und …

… treffe da ebenfalls ganz tolle Experten. Ich stand vor Bill Murray und Bob Balaban und versuchte einfach zu realisieren, das ist er, der bekannte Bill Murray. Ja, er ist das. Das sind wirklich grosse Schauspieler. Das macht auf dem Dreh allein schon Spass, ihnen zuzuschauen. Da vergisst man fast zu spielen. Aber bei Basti und Nikki war das in «Vielen Dank für nichts» ganz ähnlich: Die sind so stark in ihrer Realität wie grosse Schauspieler.

Bill Murray hat einen Soldaten gespielt. Nikki Rappl und Bastian Wurbs haben das nicht gespielt. Die leben beide wirklich im Rollstuhl.   

Und doch haben sie schauspielerische Entscheidungen getroffen wie die Grossen. Basti zum Beispiel hat im Spiel immer eine ganz langsame Sprache angesetzt. So in der Art von Don Corleone, mit viel Schnauben. Bei der Waffenübergabe zum Beispiel hat er sich so wunderbar viel Zeit genommen. Da musste ich selber aufpassen, dass ich nicht explodiere vor Lachen. Nikki hat ebenfalls eine ganz bildfüllende Energie.

Ihr seid eine eingeschworene Bande. Habt Ihr Euch auf dem Set kennengelernt?

Ich habe die Regisseure seit drei Jahren immer wieder mal getroffen, um das Projekt vorzubereiten. Die beiden habe ich später kennengelernt. Da ist eine ganz enge Verbindung entstanden.

Erleben Sie sich auch hin und wieder als behindert?

Nach dieser Zeit mit den Behinderten im Heim kann ich sagen: Es sicher einfacher, mit ihnen Augenhöhe zu kriegen als mit manchen «Normalen». Wir sind da fast alle irgendwie «behindert». Wir verstecken bloss unsere Handicaps. Aber mit Bastian und Nicki war das Handicap nie im Versteck: Die sind alle sehr viel ehrlicher und offener. Sie können scherzen und leiden und freuen sich miteinander, weil keiner sein Handicap vor dem anderen versteckt.

«Wir sehen Menschen im Rollstuhl doch meist dort unten. Wir stempeln sie im Kopf als Kinder ab.»

Jetzt haben Sie auch mit Andreas Dresen gedreht, einem der grossen des deutschen Films. Er lässt seine Schauspieler ebenfalls viel improvisieren.

Dresen hat mich in «Als wir träumten» immer nur im Spielen bestärkt. Das Spiel spielt die Hauptrolle. Er will Echtheit. Er hält einem dabei wunderbar den Rücken frei. Ich hatte das Glück, mit guten Regisseuren zu arbeiten, wie Barbet Schröder oder Andreas Dresen. Er ist ein grosser Realist. Er kann einem gut am Boden halten. Er macht einem klar, dass weniger mehr sein kann. Echtheit habe ich aber auch von Partnern wie Nikki gelernt in «Vielen Dank für Nichts».

Oliver Paulus  und Stefan Hillebrand sind die beiden Regisseure für «Vielen Dank für Nichts». Da gab es kaum ein Drehbuch ….

Die beiden haben als Team sehr viel Freiheit geschaffen. Manchmal kannten wir von einem Drehtag gerade mal das Kostüm. Das erlaubt fast jede Improvisation. Sie haben immer eine produktive Einheit gebildet. Das hat auch geholfen, die Geschichte zu entwickeln.

Was war das Wichtigste, was sie von Behinderten gelernt haben?

Augenhöhe. Das war das Schwierigste. Am Abend, nach dem Dreh, bin ich aufgestanden aus dem Rollstuhl und plötzlich waren sie auf meiner Bauchnabelhöhe. Bastian und Nicki waren plötzlich dort, wo unser Alltag sie sieht. Wir sehen Menschen im Rollstuhl doch meist dort unten. Wir stempeln sie im Kopf als Kinder ab.

Werden Sie Ihren Zivildienst in einem Behindertenheim machen?

Wer weiss… Ich habe auf jeden Fall in diesem Monat Dreharbeiten mehr gelernt, als ein Zivi braucht. Im Spiel sind fast alle Barrieren weggefallen, die man im Leben noch aufrecht erhält.

Sie erhalten immer mehr internationale Angebote. Und der Schweizer Film? Welches Drehbuch müsste für Sie geschrieben werden?

Ich bin in Zürich aufgewachsen. Ich lebe in einer zerrissenen Stadt. Da hätte ich viel zu erzählen. Nicht die Gold- oder Schoggi-Seite. Warum nicht ein Lockvogel, der junge Prostituierte mit Liebeserklärungen nach Zürich lockt? Warum nicht einen verwöhnten Goldküstenjungen…

Was können Sie von Regisseuren lernen?

Ich lerne von Film zu Film, mich als Schauspieler besser im Spiel zu halten über den ganzen Tag. Drehen besteht hauptsächlich aus Wartezeiten. Da muss man sich über Stunden in Form halten. Je nach Rolle ist das super, man kann den ganzen Tag als pubertierender, gelangweilter Jugendlicher rumhängen und alle nerven, und dann gleich so weiterspielen vor der Kamera. Aber Hauptsache ist immer wieder das Drehbuch. Noch einmal lesen. Immer wieder neu lesen.

Sie sind ein junger Schauspieler. Was lernt man bei einem guten Regisseur?

Ich mag es, wenn ein Regisseur klar anweist.

George Clooney?

Er ist sehr einfach und klar mit den Ansagen. «Mach weniger». «Schau da hin». «Give me more!» Er ist auch für die Crew offen, die dann nach dem Dreh kommt und findet: «Very nice. The scene will stay in the movie».

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«Vielen Dank für Nichts» läuft u.a. in Basel im kult.kino Atelier.

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