Im internationalen Wettbewerb in Locarno: «Wrong Cops»

Statt Parkbusse heisst es Parkbusen! Wenn die «Wrong Cops» auftauchen, müssen Frauen ihre Brüste zeigen. Abgrundtief unkorrockt und stilsicher absurd überzeugt Quentin Dupieux mit einem neuen Bubenstreich. Erst im Abspann von «Wrong Cops» gesteht Quentin Dupieux, was er – etwas spät – eingesehen haben mag: «Das ist doch wohl eher was für Jungs!» Gemeint ist […]

Statt Parkbusse heisst es Parkbusen! Wenn die «Wrong Cops» auftauchen, müssen Frauen ihre Brüste zeigen. Abgrundtief unkorrockt und stilsicher absurd überzeugt Quentin Dupieux mit einem neuen Bubenstreich.

Erst im Abspann von «Wrong Cops» gesteht Quentin Dupieux, was er – etwas spät – eingesehen haben mag: «Das ist doch wohl eher was für Jungs!» Gemeint ist da zwar die Musik – nicht der Film. Aber auch die ist von Quentin, der ja eigentlich als Musiker Mr. Oizo heisst.

«Wrong Cops» ist nicht nur für Jungs, sondern kommt auch daher, als hätten die Jungs grossen Spass gehabt, ihn zu machen: Wenn der drogendealende Bulle sein Gras in Rattenkadaver (als Tarnung) einwickelt, dann trifft Dupieux allerdings nicht nur den Pennälerwitz, den Sasha Baron Cohen gern kultiviert, sondern er treibt auch seine Surrealismus-Debatte auf die Spitze.

Statt Realism Realitism

«Realitism» nennt er Dupieux seinen Stil, Realität nicht ad absurdum zu führen, sondern eine neue Realität als übergeordnete Wahrheit einzufordern: Wenn die Mächtigen immer häufiger straflos auf die Einhaltung ihrer eignene Gesetze verzichten können, dann handeln die «Wrong Cops» nur wie eine neue, gerechte Staatsgewalt. Sie handeln mit Drogen, zwingen Frauen statt zu Parkbussen zu Parkbusen (Sie müssen zur Strafe ihren Busen zeigen), erschiessen auch mal kolleateral einen Nachbarn, und benehmen sich eben auch nur wie Politiker, die nicht einmal mehr nach den Wahlen die Wahrheit sagen.

Dupieux, ist wie einst Ionesco, einfach zu wirkungsorientiert, als dass er nicht auch immer die Wirklichkeit in seinem Surrealismus mitdenkt: Wenn er zum Beispiel seinen komponierenden Bullen beim Musikproduzenten abfahren lässt, dann erst, nachdem der (missgestaltete) Bulle vorher vom (drogendealenden) Bullen zur Beseitigung einer Leiche (die noch lebt!) verknurrt worden ist. Jetzt, wo es schräger nicht mehr geht, schlägt plötzlich der Musik-Produzent einen überraschenden Haken: Er findet ein Musikduo aus einem Halbtoten und einem Vollbehinderten einfach ein Werbe-Brüller. 95% für einen Vollerfolg sind damit gebongt! Musik ist heute 100% Werbung! Fehlen nur noch die restlichen 5%! (gemeint ist das Talent…).

Stilsicher absurd

Der Kosmos von Dupieux bleibt auch nach «Wrong Cops» mit dem absurden Theater verwandt. Auch dort hat eine ganze Generation von Theater-Autoren vor der Wirklichkeit kapituliert. Dupieux will uns die Wirklichkeit nicht zeigen. Er entstellt sie uns bis zu Kenntlichkeit. Er ist der legitime Bruder von Sasha Baron Cohen, ebenso wie er den frühen Tarantino weiterdenkt. Nur, dass Tarantino schamlos andere zitierte. Dupieux hingegen zitiert fast immer sich selbst. Noch hat ihn aber, bei aller Selbstreferenz, nicht die Fähigkeit verlassen, sich selber auf die Schippe zu nehmen:

Dupieux ist dabei nicht mehr so stilverliebt wie in «Wrong». Er ist aber auch nicht mehr so abgründig wie in «Rubber», mit dem er eine neue Art von Aberwitz kreierte, indem er die Schauspieler noch ernsthaft durch seine absurde Welt spazieren liess. (Der Killer  war ein Pneu! Die Polizisten waren wahrhaftig und echt bemüht ihn hinter Gitter zu bringen.) In «Wrong» hat er sich eine fast träumerisch verschobene Welt  gebaut. Leider scheint nun in «Wrong Cops» auch bei einem der subversivsten Phantasten der Wunsch nach einem Main-Stream-Erfolg Einzug gehalten zu haben. Bei den Jungs der Jury in Locarno aber, wird er nach zwei Bier einer der Favoriten sein. Nüchtern besehen, werden aber wohl die Pussys obsiegen, obwohl, zugegeben, allein die ersten Bilder aus «Wrong Cops» echt krass abgefahren künstlerisch sind! 

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