In der Kürze liegt die Pointe

Der Berner Autor Matto Kämpf ist ein Meister des träfen Humors. Das beweisen Bücher wie seine «Tiergeschichten» und sein «Krimi». Am besten aber, man erlebt ihn live. Heute Freitag zum Beispiel an der «BuchBasel»-Party im Unternehmen Mitte.

Hat wieder zugeschlagen: Der Berner Autor Matto Kämpf.

Der Berner Autor Matto Kämpf ist ein Meister des träfen Humors. Das beweisen Bücher wie seine «Tiergeschichten» und sein «Krimi». Am besten aber, man erlebt ihn live. Heute Freitag zum Beispiel an der «BuchBasel»-Party im Unternehmen Mitte.

In Deutschland sorgt derzeit ein Pointenlieferant 2.0 für Furore: Florian Meimberg. Mit seinen gezwitscherten Kurzgeschichten hat es der Werber kürzlich sogar in die Sendung von Stefan Raab geschafft. Auf der Studio-Couch konnte er seine Tiny Tales, mit denen er via Twitter bekannt wurde, promoten. Prompt schoss sein Buch «Auf die Länge kommt es an» über Nacht auf Platz 4 der amazon-Verkaufscharts.

Wer den Schweizer Literaturbetrieb mitverfolgt, hat für diesen gelungenen Hype nur ein müdes Lächeln übrig. Schräge Kurzgeschichten? Die wachsen bei uns am Thunersee auf und wandern dann runter, in die Hauptstadt.

Krimi

Matto Kämpf heisst der Mann mit Jahrgang 1970, der schon vor der Erfindung von Twitter zur Verdichtung gefunden hat. Allerdings wurde das kommerziell gesehen bisher noch nicht gleichermassen honoriert: Sein Krimi aus dem Jahr 2009, den er treffend «Krimi» getauft hat, liegt in den Verkaufscharts von amazon derzeit auf Platz 700’772. Nicht weil das Buch schlecht ist (im Gegenteil, es ist brillant!), sondern weil ihn Stefan Raab, Reich-Ranicki, Jürgen von der Lippe (und wie all die Literaturexperten im TV sonst noch heissen) noch nicht gelesen und noch nicht entdeckt haben.

Dabei dürfte Stefan Raab allein schon die Aufmachung dieses Büchleins gefallen: Zwischen den gehefteten Textseiten tauchen rosarote Metzgerpapiere auf. Sie umrahmen eine Geschichte, die Fleisch am Knochen hat und sich fontänenartig über uns ergiesst: Auf dem Land hängt ein Toter an einem Zwetschgenbaum. «Offenbar ist er vorher mit einer Mistgabel verlöchert und nur noch der Form halber an den Baum gehängt worden», bilanziert der Kommissar und beobachtet, wie der Landjäger – unter dem Jubel der Dorfbevölkerung – dem Toten den Kopf abreisst. «Fuderweise DNA, denkt der Kommissar, da können sie profilen bis Tubak.»

Tiergeschichten

Sie merken es: Mit wunderbarem Humor und trashigem Charme huldigt Kämpf den Klassikern des Berner Krimis, allen voran Glauser – und parodiert sie zugleich. Diesem kleinen Meisterwerk ging 2007 schon eine Sammlung kürzerer Texte voraus: Für seine «Tiergeschichten» verlieh ihm die Literaturkommission des Kantons Bern den «Prix Trouvaille», im letzten Jahr unterhielt er die Leserschaft der Berner Zeitung Bund mit Kolumnen über seine Vaterschaft («Also doch schwanger, dachte ich, als die Wehen einsetzten»). Diese wurden im Buch «Der Rabenvater» veröffentlicht.

Und jetzt, jetzt besinnt sich Kämpf auf seine Anfänge und rückt wieder das Verhältnis von Tier und Mensch ins Zentrum. In «Tiergeschichten 2» (warum auch sollte er das Ding nicht nach dem Inhalt benennen?) verblüfft er erneut mit seiner lakonischen Sprache und seinem träfen Humor. Ein Beispiel gefällig?

Letzter Eintrag
Bevor ihm in der Nacht ein entlaufenes Frettchen die Kehle durchbiss, hatte ein verwitweter Jurist in sein Tagebuch geschrieben:
4. Oktober
Etwas ist im Sofa.

Nicht immer setzt er so klar auf eine Pointe. Gut und gerne zielt Kämpf auch ins Absurde, sorgt damit für Irritation und Amüsement. So zum Beispiel:

Ein grosser Schritt
Allez Hop, dachte das erste Amphib, bevor es Land betrat.

Wer Matto Kämpf schon mal live erlebt hat, der weiss: Seine Texte gewinnen dazu, wenn er sie selber vorträgt, indem er etwa ein Bündel Fresszettel in der Hand hält, zu reden beginnt und dabei Berner Akzent und Langsamkeit ausspielt. Oft sind die Texte so kurz (und manche Pointen auch vordergründig inexistent), dass man sich fragt: Ist das ein Witz – oder kommt da noch mehr?

Diese Unberechenbarkeit, das Überraschungsmoment, ist Programm. Und diese Eigenschaft ein literarischer Charakterzug, der dafür sorgt, dass man ihn weder eindeutig der Slam Poetry noch der Comedy oder der Poesie zuordnen kann. Hinzu kommt, dass er manchmal auch bewusst Pointen verweigert. Das macht ihn keinesfalls weniger interessant. Aber womöglich schwieriger zu verkaufen.

Herzblut

Gut daher, dass es in der Schweiz Betriebe gibt, die sich mit Herzblut für diese Nische stark machen. Etwa der Luzerner Verlag «Der gesunde Menschenversand», der Kämpfs Bücher herausbringt – und das mit wachsendem Erfolg.

Die Basler Taufe dieser 44 neuen, gehefteten Seiten (übrigens mit Bildern von ausgestopften und konservierten Tieren angereichert) findet in der Gundeldinger Buchhandlung Nasobem statt – diese offeriert eine Win-Win-Situation: Der Eintrittspreis für die Lesung beträgt 15 Franken, darin inbegriffen ist ein Exemplar von «Tiergeschichten 2» (Marktwert: 16 Franken), womit man gemäss Mitteilung der Veranstalter «elegant einen Franken für Messmocken spart.» Oder für Tierfutter. Das sei jedem selber überlassen.

Matto Kämpf live: Freitag, 18.11., ab 22 Uhr. Eintritt frei.
Unternehmen Mitte, Basel.

 

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