Der tödliche Angriff auf das Parlament in Ottawa hat Fragen zu den Sicherheitsvorkehrungen in Kanada aufgeworfen. Medienberichten zufolge handelte es sich bei dem erschossenen Täter um einen islamischen Konvertiten, der auf einer «Terrorwarnliste» der Behörden stand.
Der Attentäter hatte am Mittwoch einen kanadischen Soldaten erschossen und wurde wenig später im Parlamentsgebäude von einem Wächter getötet. Nach Angaben der Behörden war nur ein Täter beteiligt. Polizeisprecher Marc Soucy bestätigte am Donnerstag entsprechende Medienberichte.
Kanadische Medien berichteten, der 32-jährige Angreifer Michael Zehaf-Bibeau sei zum Islam konvertiert und den Behörden als gefährlich bekannt gewesen. Demnach war er wegen Drogendelikten und Raub vorbestraft. Ein Regierungsvertreter sagte der Zeitung «Globe and Mail», kürzlich sei dem Mann sein Pass eingezogen worden, um ihn an der Ausreise etwa nach Syrien zu hindern.
Der Teufel hinter ihm her
Dave Bathurst, der Michael Z. vor drei Jahren in einer Moschee kennenlernte, sagte dem Sender CBC, dieser habe gelegentlich eine verstörende Seite gezeigt. «Wir unterhielten uns in einer Küche, als er sagte – ich weiss nicht mehr die genaue Formulierung – der Teufel sei hinter ihm her», sagte Bathurst. Er habe überhaupt viel über den Schaitan in der Welt gesprochen, die arabische Bezeichnung für Teufel und Dämonen. «Ich glaube, er war geisteskrank», sagte Bathurst.
Er habe den Mann zuletzt vor sechs Wochen in einer Moschee in der Gegend von Vancouver gesehen, sagte Bathurst. Dabei habe der 32-Jährige gesagt, er wolle in den Mittleren Osten reisen. Er habe aber betont, er wolle dort nur den Islam studieren und Arabisch lernen.
Vom Sicherheitschef erschossen
Am Mittwochvormittag (Ortszeit) hatte der bewaffnete Angreifer einen Wachsoldaten am Nationalen Kriegsdenkmal gegenüber vom Parlament erschossen. Anschliessend stürmte er ins Parlament, wo er in der Eingangshalle bei einem Schusswechsel getötet wurde. Laut den Medien wurde er vom sogenannten Sergeant at Arms, dem 58-jährigen Kevin Vickers, erschossen – dem Zeremonienmeister und Sicherheitschef des Parlaments.
Das Parlament wurde weiträumig abgeriegelt, und Politiker wurden in Sicherheit gebracht. Unter ihnen war auch Premierminister Stephen Harper, der zur Sitzung seiner konservativen Fraktion im Gebäude weilte.
Schweizer Schüler erlebten Anschlag mit
Vierzehn Schüler und zwei Lehrpersonen aus Bulle im Kanton Freiburg erlebten den Anschlag auf das Parlament in Ottawa direkt mit. Sie besuchten das Gebäude, als die Schüsse fielen. Sie konnten in die Kapelle des Parlaments flüchten, wo sie während neun Stunden ausharrten.
Bundespräsident Didier Burkhalter liess den Schülern nach Angaben des Aussendepartements EDA über den Schweizer Botschafter in Kanada eine Sympathiebekundung zukommen. Einen Beileidsbrief schickte er an Kanadas Premierminister Harper.
In Kanada entbrannte umgehend eine Debatte über die Sicherheit im Parlament. Der Eingang zum Gebäude war nicht abgesperrt. Allerdings gibt es in Kanada im Vergleich zu den USA deutlich weniger Übergriffe mit Schusswaffen. Nach dem Anschlag vom Mittwoch wurden die Sicherheitsvorkehrungen an öffentlichen Gebäuden jedoch verschärft.
Schärfere Anti-Terror-Gesetze angekündigt
Premierminister Harper versicherte in einer Fernsehansprache am Mittwochabend (Ortszeit), Kanada werde sich von derlei Angriffen «niemals einschüchtern lassen» und am Kampf gegen den Terrorismus festhalten. Es sei ein Angriff auf «unsere Werte, unsere Gesellschaft und auf uns Kanadier als freies, demokratisches Volk» gewesen. Die Regierung werde weiter alles gegen «Terrororganisationen» in anderen Ländern tun.
Am Donnerstag kündigte Harper in einer feierlichen Rede zur Wiedereröffnung des Parlaments schärfere Anti-Terror-Gesetze an. Er bestätigte, dass es sich bei dem getöteten Attentäter um einen kanadischen Staatsbürger handelte.
Verteidigungsminister Rob Nicholson sagte, Kanada werde an seiner Militärstrategie festhalten. Das Land will sich an den US-geführten Luftangriffen auf die sunnitische Terrormiliz Islamischer Staat (IS) im Irak und in Syrien beteiligen.
Die Behörden gehen daher von einer erhöhten Anschlagsgefahr aus. Erst am Montag hatte ein mutmasslicher Islamist zwei Soldaten bei Montréal mit seinem Auto überfahren und einen davon getötet. Er selbst wurde von der Polizei erschossen.
Der kanadische Geheimdienst CSIS warnt seit Jahren davor, dass sich junge Menschen radikalisieren. Nach seinen Erkenntnissen haben sich mehr als 50 Kanadier dem IS oder anderen extremistischen Gruppen im Nahen Osten angeschlossen.
US-Präsident Barack Obama sicherte Kanada in einem Telefongespräch mit Harper seinen bedingungslosen Beistand zu.