Nach den Baudenkmälern und Landschaften soll auch das Schweizer Kulturerbe international anerkannt werden. Der Bundesrat hat am Mittwoch entschieden, acht Schweizer Traditionen für die Aufnahme in die UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes vorzuschlagen.
Es handelt sich um das Uhrmacherhandwerk, Schweizer Grafikdesign und Typografie, den Umgang mit der Lawinengefahr, die Schweizer Alpsaison, den Jodel, die Historischen Prozessionen in Mendrisio, das Winzerfest in Vevey und die Basler Fasnacht. Vor den Bundeshausmedien sprach Bundesrat Alain Berset von einem mutigen und innovativen Entscheid.
Die Uhrmacherkunst oder der Jodel seien keine Überraschungen. Wie diese trage aber auch die Tradition von Grafikdesign und Typografie stark zum Bild der Schweiz bei. Und der Alpenraum werde sowohl von der Alpwirtschaft wie vom Umgang mit der Lawinengefahr geprägt. Insgesamt repräsentiere die Liste das kulturelle Erbe der Schweiz gut und zeige als Ganze die verschiedenen Facetten des Landes.
Eine Kandidatur pro Jahr
Die Auswahl hat der Bundesrat gestützt auf die Vorschläge einer neunköpfigen Expertengruppe gemacht. Die Kandidaturen sollen nun Schritt für Schritt beim zuständigen Komitee der UNO-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) eingereicht werden.
Die erste Kandidatur ist für 2015 geplant, danach soll jedes Jahr eine weitere folgen, wie das Bundesamt für Kultur (BAK) am Mittwoch mitteilte. Die Reihenfolge der Eingaben hänge von Stand der Vorbereitungen der einzelnen Projekte ab, sagte Berset.
Grundlage für die Aufnahme in die Liste ist das von der Schweiz 2008 ratifizierte UNESCO-Übereinkommen zur Bewahrung des immateriellen Kulturerbes. Dieses hat das Kulturerbe im Zusammenhang mit gemeinschaftlichen Praktiken und gesellschaftlichen Interaktionen im Fokus. Darunter fallen lebendige Traditionen wie mündliche Überlieferungen, darstellende Künste, Rituale und Feste, Wissen und Praktiken im Umgang mit der Natur und dem Universum oder Fachwissen über traditionelle Handwerkstechniken.
In der Schweiz ist in einem ersten Schritt die «Liste der lebendigen Traditionen der Schweiz» als Bundesinventar zusammengestellt worden. Diese enthält nicht weniger als 167 Gebräuche, Handwerke oder soziale Praktiken. Auf der Grundlage dieses Inventars können nun die Kandidaturen für die UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes eingereicht werden.
Keine Nostalgie-Liste
Dies gebe der Schweiz Gelegenheit, ihre Traditionen und ihr kulturelles Erbe besser zu verstehen und zu vermitteln, sagte Berset. Die Experten halten in ihrem Bericht fest, dass es um Bewahrung, Förderung und Wertschätzung, nicht aber um eine «nostalgische Konservierung» gehe.
Das Abkommen verpflichtet die Vertragsstaaten, Massnahmen zur Bewahrung, Identifizierung und Bestimmung des immateriellen Kulturerbes auf nationaler Ebene umzusetzen. In diesem Rahmen ist in der Schweiz das Bundesinventar geschaffen worden. Zudem müssen sie sich um weitere Schutzmassnahmen bemühen, etwa die Einrichtung von Fachstellen oder die Förderung von wissenschaftlichen, technischen und künstlerischen Untersuchungen.
Für eine finanzielle Förderung bietet die Aufnahme in die UNESCO-Listen des immateriellen Kulturerbes keine eigenständige Grundlage. Das Bundesamt für Kultur hat aber beispielsweise gestützt auf das Inventar «Lebendige Traditionen der Schweiz» einen Schwerpunkt in diesem Bereich gesetzt.
In diesem Rahmen wird heute traditionelles Handwerk vermittelt, etwa im Kurszentrum Ballenberg, oder Ausstellungen zu lebendigen Traditionen organisiert. Der UNESCO ihrerseits steht für Fördermassnahmen ein Fonds zur Verfügung, der durch die Mitgliedstaaten alimentiert wird.
Bereits weiter fortgeschritten ist die Umsetzung des UNESCO-Abkommens zum Schutz des Kultur- und Naturgutes der Welt. Elf Schweizer Kultur- und Naturgüter sind inzwischen als Welterbestätten anerkannt, darunter die Altstadt von Bern, die Burgen von Bellinzona, die Jungfrau-Aletsch-Region oder die Weinberg-Terrassen des Lavaux.