Nach der Eroberung der irakischen Stadt Falludscha durch Dschihadisten ist die Lage im Norden des Land am Montag unklar geblieben. Ein ranghoher Stammesführer sagte der Nachrichtenagentur AFP am Telefon, die ISIL-Kämpfer hätten Falludscha verlassen.
Die Stadt sei nun in den Händen sunnitischer «Stammessöhne», sagte Scheich Ali al-Hammad. «Sie sind da, um die Stadt zu verteidigen.» Zu Details äusserte er sich nicht.
Ein Augenzeuge in Falludscha sagte hingegen, die Stadt sei noch immer unter der Kontrolle von ISIL-Kämpfern. Diese hätten aber ihre zuvor gehissten schwarzen Flaggen heruntergelassen, aus «Taktik, um nicht zu Zielen von Angriffen zu werden».
Regierung verlegt Truppen
Die Regierung in Bagdad hatte am Sonntag einen Grossangriff zur Rückeroberung der Stadt angekündigt. Dazu seien bereits Spezialkräfte vor der Stadt im Einsatz, weitere Truppen würden verlegt.
Regierungschef Nuri al-Maliki rief die Bewohner der Stadt zum Widerstand auf. Im Staatsfernsehen forderte al-Maliki am Montag «die Bevölkerung und die Stämme von Falludscha» auf, «die Terroristen zu vertreiben».
Mit ihrem Widerstand sollten die Bürger verhindern, dass ihre Stadtteile zum Schauplatz von Kämpfen zwischen Aufständischen und Regierungstruppen würden, sagte al-Maliki. Die irakischen Sicherheitskräfte wies der Ministerpräsident zudem an, «keine Wohnbezirke» in Falludscha anzugreifen.
Kämpfe um Vorherrschaft im Norden
Kämpfer der mit dem Terrornetzwerk Al-Kaida verbündeten Dschihadistengruppe Islamischer Staat im Irak und in der Levante (ISIL) hatten Falludscha Ende der vergangenen Woche unter ihre Kontrolle gebracht. Die Stadt liegt in der Provinz Anbar.
Bei Kämpfen um die Vorherrschaft in Anbar wurden in den vergangenen drei Tagen mehr als 200 Menschen getötet. Die Regierung in Bagdad hatte am Sonntag einen Grossangriff zur Rückeroberung der Stadt angekündigt. Dazu seien bereits Spezialkräfte vor der Stadt im Einsatz, weitere Truppen würden verlegt.
Gerungen wird auch um die Vorherrschaft in der weiter westlich gelegenen Provinzhauptstadt Ramadi. Dort gab es der Polizei zufolge am Montag in mehreren Stadtvierteln Gefechte zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen.
Tausende auf der Flucht
Es ist das erste Mal seit Jahren, dass islamistische Extremisten in grossen irakischen Städten offen die Kontrolle ausüben. Falludscha war nach dem US-Einmarsch 2003 eine Hochburg der sunnitischen Rebellen und Schauplatz heftiger Kämpfe. Schliesslich gelang es den US-Streitkräften mit Hilfe regionaler Stammesmilizen, Stadt und Provinz unter Kontrolle zu bringen.
Seit dem Abzug der US-Truppen Ende 2012 gewannen islamistische Rebellen in Anbar jedoch wieder an Boden. US-Aussenminister John Kerry sagte am Sonntag während seiner Nahost-Reise, Washington werde die irakischen Streitkräfte in ihrem Kampf gegen Extremisten unterstützen, habe aber nicht vor, erneut Bodentruppen zu entsenden. Dies sei «ihr Kampf», sagte Kerry.
Neben ISIL-Einheiten und den regulären Armee-Einheiten sind in Anbar regierungstreue Milizen und aufständische Milizen im Einsatz. Allein am Freitag und Samstag wurden mehr als 160 Menschen bei Gefechten getötet, die meisten waren ISIL-Kämpfer. Tausende Anwohner flohen aus Falludscha.