Kurz vor der geplanten Vereidigung einer palästinensischen Konsensregierung hat Israel zum Boykott des Expertenkabinetts aufgerufen. Diese Regierung werde von der radikal-islamischen Hamas gestützt, sagte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Sonntag zur Begründung.
Palästinenserpräsident Mahmud Abbas kündigte am Samstag an, er wolle das neue Kabinett am Montag an seinem Amtssitz vereidigen. Keiner der Minister werde den beiden stärksten Palästinensergruppen, der Fatah oder der Hamas, angehören, sagte Abbas. Zum Zuge kämen in der «Regierung des nationalen Konsens» ausschliesslich «unabhängige Fachleute».
Dessen ungeachtet habe ihm die israelische Seite aber «angekündigt, dass sie diese Regierung boykottieren wird, sobald sie im Amt ist», erklärte Abbas. Von Seiten der Hamas wurde der Vereidigungstermin auf Anfrage nicht bestätigt.
Netanjahu rief zu Beginn der wöchentlichen Kabinettssitzung zum Boykott der neuen Palästinenserregierung auf: «Ich appelliere an alle Vernünftigen in der internationalen Staatengemeinschaft abzuwarten, bevor sie eine Regierung anerkennen, an der die Hamas beteiligt ist und die von ihr abhängt.»
Netanjahu verwies darauf, dass die Hamas auch von der EU und den USA als terroristische Organisation eingestuft wird. «Hamas ruft zur Zerstörung von Israel auf. Wenn die internationale Gesellschaft sie umarmt, wird das nicht den Frieden fördern, sondern den Terrorismus.»
Einreisebewilligung verweigert
Das staatliche israelische Radio meldete am Sonntag, Israel habe drei Ministern aus dem Gazastreifen, die der neuen Palästinenser-Regierung angehören sollen, die Erlaubnis verweigert, durch Israel zu reisen, um in Ramallah ihren Amtseid abzulegen. Dies solle nun per Videokonferenz geschehen.
Abbas hatte am Donnerstag den im Westjordanland amtierenden Ministerpräsidenten Rami Hamdallah zum Chef der neuen Einheitsregierung ernannt, die auch den von der Hamas kontrollierten Gazastreifen verwalten soll.
Die Bekanntgabe der kompletten Kabinettsliste verzögerte sich zunächst, weil noch keine Einigkeit bestand, wer Aussenminister werden soll. Abbas setzte sich letztlich aber nach übereinstimmenden Angaben aus Ramallah und Gaza mit seiner Forderung durch, den amtierenden Chefdiplomaten Rijad al-Malki im Amt zu belassen, um gerade in den Aussenbeziehungen Kontinuität zu bewahren.
Aussöhnung nach Jahren der Rivalität
Nachdem die radikalislamische Hamas 2006 die letzten palästinensischen Parlamentswahlen deutlich gewonnen hatte, verschärfte sich ihre Rivalität mit der säkularen Fatah-Partei von Abbas, welche die Palästinenserorganisation PLO dominiert.
Im Jahr darauf folgten mehrwöchige blutige Strassenkämpfe und die faktische Spaltung der Palästinensergebiete. Den Gazastreifen kontrolliert seitdem eine Hamas-Regierung unter Ismail Hanija.
Beide Seiten hatten am 23. April ein Aussöhnungsabkommen unterzeichnet. Ihm zufolge soll die gemeinsam getragene Übergangsregierung binnen sechs Monaten Neuwahlen von Präsident und Parlament organisieren.
Israel nahm diese Beschlüsse zum Anlass, die direkten Friedensgespräche mit den Palästinensern auszusetzen. Abbas hatte mehrfach versichert, dass die nach seinen Vorgaben arbeitende Übergangsregierung auf Gewalt verzichten sowie das Existenzrecht Israels und alle geschlossenen Verträge anerkennen werde.