Israel steht nach der vorgezogenen Parlamentswahl vor einer schwierigen Regierungsbildung. Die bisher regierende rechts-nationale Koalition von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu musste nach Hochrechnungen vom Mittwoch herbe Verluste einstecken.
Das Bündnis von Netanjahus Likud und der nationalistischen Partei Beitenu von Aussenminister Avigdor Lieberman bleibt jedoch mit 31 Sitzen stärkste Kraft in der 120 Mandate zählenden Knesset. Netanjahu leitete aus dem Wahlergebnis trotz des Verlustes von elf Mandaten den Auftrag zur Regierungsbildung ab.
„Die Hochrechnungen zeigen klar, dass die israelischen Bürger wollen, dass ich weiter als Ministerpräsident diene und eine möglichst breite Mehrheits(koalition) bilde“, schrieb der 63-Jährige auf seiner Facebook-Seite.
Das dürfte allerdings schwer werden, da es zwischen den Parteien des rechten Spektrums und den Mitte-Links-Parteien mit je 60 Sitzen ein Patt gibt. Zudem ist fraglich, ob Netanjahu bei einer breiten Koalition weiter auf die Unterstützung orthodox-religiöser Parteien bauen kann.
Politikneuling als Königsmacher
Überraschungssieger ist die neu gegründete Zentrumspartei „Es gibt eine Zukunft“. Sie stieg aus dem Stand mit 19 Sitzen zur zweitstärksten Kraft auf. Netanjahu bot ihrem Vorsitzenden Yair Lapid telefonisch die Zusammenarbeit an. „Wir haben die Gelegenheit, gemeinsam Grosses zu leisten“, gab Likud seine Botschaft wieder.
Lapid sprach sich für eine „so breit wie möglich“ aufgestellte Regierung aus, die aus moderaten Kräften aus dem linken und rechten Lager bestehen solle. Seine Partei hatte im Wahlkampf unter anderem mit einer Aufhebung der Ausnahme von der Wehrpflicht für orthodox-religiöse Studenten geworben.
Arbeitspartei bestreitet Likuds Anspruch
Die Vorsitzende der einst starken Arbeitspartei, Shelly Jachimowich, sprach Likud den Anspruch zur Regierungsbildung ab. Es gebe eine sehr gute Chance, dass Netanjahu keine Koalition zusammenbringt. Nach Auszählung von 99,8 Prozent der Stimmen lag die Arbeitspartei mit 15 Mandaten an dritter Stelle.
Viertstärkste Kraft wurde die national-religiöse Siedlerpartei „Jüdische Heimat“ des Software-Multimillionärs und früheren Elitesoldaten Naftali Bennett. Die bisher grösste Fraktion im Parlament, Kadima, schrumpfte von 28 auf 2 Sitze.
Netanjahus missglückter Poker
Netanjahu hatte die Neuwahlen in Erwartung eines sicheren Sieges vor drei Monaten angesetzt. Die Wahl war vorgezogen worden, weil sich die Koalition im Herbst nicht auf einen Sparhaushalt hatte einigen können.
Netanjahu hatte sich im Wahlkampf als einziger Garant der Sicherheit Israels angesichts der Umbrüche im Nahen Osten dargestellt. Er hat angekündigt, den Kampf gegen eine Atomwaffe in der Hand Irans zur Priorität in seiner neuen Amtszeit zu machen. Der Regierungschef sieht in iranischen Nuklearwaffen eine existenzielle Bedrohung seines Landes.
Kurswechsel in Siedlungspolitik?
Abzuwarten bleibt auch, ob Netanjahu – sollte er eine neue Regierung führen – bei der umstrittenen Linie in der Siedlungspolitik bleibt. Der Ausbau jüdischer Siedlungen im Westjordanland wird von der Opposition und westlichen Partnern scharf kritisiert.
Sie sehen in dem Siedlungsbau eines der Hindernisse für einen Frieden mit den Palästinensern. Mit neuen Regierungspartnern könnte Netanjahu hier zu einen Kurswechsel gezwungen sein.