Beim Internationalen Währungsfonds (IWF) wächst trotz der Bemühungen der Europäer bei der Euro-Krisenbekämpfung die Furcht vor neuen Wachstumseinbrüchen. Der Fonds nahm in seinem neuen Weltwirtschaftsausblick seine Wachstumsprognosen auf breiter Front teils deutlich zurück.
„Für die fortgeschrittenen Länder ist das Wachstum nun zu niedrig, als dass es eine spürbare Wirkung auf die Arbeitslosigkeit haben könnte“, schreibt der Ökonom Olivier Blanchard in dem Bericht, der am Dienstag zur Jahreskonferenz des IWF in Tokio veröffentlicht wurde.
Generell hätten sich die Abwärtsrisiken noch einmal verstärkt und seien erheblich. Die Rede ist von einer Wahrscheinlichkeit von Eins zu Sechs, dass das globale Wachstum unter zwei Prozent liegt und die Industrieländer als Ganzes betrachtet in eine Rezession stürzen könnte.
Mangelndes Vertrauen
„Der wichtigste Grund ist, dass die Politik in den wichtigsten Industrieländern es nicht geschafft hat, Vertrauen in die mittelfristige Entwicklung wiederaufzubauen“, heisst es in dem Bericht. Das gelte hinsichtlich der Lebensfähigkeit der Euro-Zone wie bei der Fähigkeit der USA, von ihrem hohen Schuldenberg wieder herunterzukommen.
Als Konsequenz nahm der IWF seine Wachstumsprognosen für nahezu alle Länder zurück. Für die Weltwirtschaft sieht er nun eine Wachstum von nur noch 3,3 Prozent in diesem Jahr und 3,6 Prozent im nächsten Jahr – eine Revision nach unten um 0,2 beziehungsweise 0,3 Punkte.
Die Euro-Zone sieht der Fonds mit 0,4 Prozent Schrumpfung der Wirtschaftsleistung noch minimal tiefer in der Rezession als im April erwartet. Und auch 2013 rechnet der Fonds nur mit einem Mini-Plus von 0,2 Prozent, ein halber Prozentpunkt weniger als vor einem halben Jahr.
Auch Deutschland mit weniger Wachstum
Für Deutschland blieb der Fonds zwar für dieses Jahr bei einer Wachstumsprognose von unverändert 0,9 Prozent. Für 2013 erwartet er aber den gleichen Satz, was eine Abwärtsrevision von 0,5 Prozentpunkte darstellt.
Als die offensichtlich grösste Bedrohung der Weltwirtschaft stuft der IWF die Euro-Staatsschuldenkrise ein. Unter anderem müssten die Regierungen nun ihre Schutzschirme flexibler machen. Speziell der neue Euro-Schutzschirm ESM sollte dabei auch direkt im Bankensystem intervenieren können.
IWF-Chefökonom Blanchard fordert, die Überwachung, Abwicklung und Rekapitalisierung von Banken auf der Ebene der Eurozone zu verankern. „Es ist gut, dass diese Probleme ernsthaft angegangen und diese Mechanismen allmählich ins Werk gesetzt werden.“
Kurzfristig müsse kriselnden Länder wie Spanien und Italien die Möglichkeit eröffnet werden, ihre Banken mit frischem Geld zu versorgen, ohne dass dies sich in neuen Staatsschulden niederschlägt.
USA an der Spitze
Unter den grossen Industrienationen stehen die USA im nächsten Jahr beim Wachstum mit einem Plus von 2,1 Prozent laut IWF immerhin noch am besten da.
Für die Schwellen- und Entwicklungsländer erwartet der Weltwährungsfonds 2013 ein Wachstum vom 5,6 Prozent, wobei China mit 8,2 Prozent weiterhin das unbestrittene Zugpferd ist. Allerdings müssen den IWF-Prognosen nach auch zahlreiche Boomländer dieses und nächstes Jahr gestutzte Wachstumsprognosen hinnehmen.