Bei aller Unterstützung der europäischen Niedrigzinspolitik beklagt der Internationale Währungsfonds (IWF) auch deren Schattenseiten.
Vor allem die Garantieversprechen in der Versicherungsbranche könnten zum gefährlichen Bumerang für das Finanzsystem werden. Die langfristigen Versprechen hoher Garantiezinsen seien zu einer schweren Bürde vor allem für mittelgrosse Lebensversicherungen geworden, heisst in einem Bericht zur globalen Finanzstabilität, den der IWF am Mittwoch vorlegte. Das Problem könne das gesamte Finanzsystem in Mitleidenschaft ziehen.
Hintergrund ist die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) im Kampf gegen die Wirtschaftsflaute und Mini-Inflation. Staatsanleihen, in denen das Geld der Versicherungen meist steckt, bringen kaum noch Erträge.
Jede zweite Versicherung zahlt drauf
Die Unternehmen müssen jedoch die grossen Garantieversprechen der Vergangenheit erfüllen – und jedes zweite zahlt dadurch laut dem IWF derzeit drauf. Je länger eine Firma einen Zins garantiert habe, desto grösser werde das Risiko für sie.
Besonders gross sei das Missverhältnis in Deutschland und Schweden. Der Währungsfonds fordert eine strengere Regulierung der Produkte und eine bessere Aufsicht. Dadurch sollen Kunden geschützt werden, wenn Versicherungen in Kapitalnot geraten. Zudem könnte ein international besser abgestimmtes Sicherheitsnetz die Industrie schützen.
Stresstests zeigten, dass ein Viertel der Versicherer in einer längeren Phase mit niedrigen Zinsen nicht in der Lage wäre, ihre Kapitalanforderungen zu erfüllen. Der Versicherungszweig habe allein in der EU ein Anlageportfolio von rund 4,4 Billionen Euro und die Vernetzung in der Finanzbranche nehme zu, wodurch die Ansteckungsgefahren wüchsen.
Wechselkurse schwanken immer stärker
Auch sonst hätten die Risiken für das globale Finanzsystem zugenommen und sich zunehmend auf Bereiche verlagert, die schwieriger einsehbar seien, erklärte der IWF.
Vor allem Schwellen- und Entwicklungsländer würden die unterschiedlichen Strömungen aus sinkenden Ölpreisen, bald steigenden US-Zinsen sowie heftigen Wechselkursschwankungen spüren. Sie müssten sich dringend gegen anfällige Probleme wappnen.
Die absehbare Zinswende in den USA könnte Landeswährungen und Vermögensmärkte in Schwellenländern unter Druck bringen: Sollte der Dollar im Fahrwasser stark steigender US-Zinsen weiter aufwerten, könnten Investoren rasch ihr Geld aus aufstrebenden Ländern abziehen.
«Die Schwankungen der wichtigsten Währungen haben sich mehr erhöht als in jeder anderen Phase seit der globalen Finanzkrise», warnt der IWF weiter. Auch dies ist eine Folge der lockeren Geldpolitik vieler Zentralbanken auf der Welt. Zugleich habe sich die Liquidität sowohl am Devisen- als auch an den Anleihemärkten verringert, was die Gefahr weiterer Schwankungen erhöhe.
Zinswende in USA birgt Risiken
Risiken für die Finanzstabilität sieht der Fonds weiter in der hohen privaten Verschuldung, nicht zuletzt im Euroraum.
Um das Finanzsystem krisenfester zu gestalten, müsse die lockere Geldpolitik durch andere Massnahmen ergänzt werden, fordert der Fonds. Im Euroraum müssten die Bilanzen der Banken von faulen Krediten bereinigt werden. Japan müsse seine lockere Geld- und Fiskalpolitik durch wirtschaftliche Strukturreformen ergänzen.
In den USA müsse die Zentralbank darauf achten, die Zinswende vorsichtig anzugehen und klar zu kommunizieren, um Schwankungen an den Finanzmärkten in Grenzen zu halten. Die Schwellenländer werden unter anderem dazu aufgefordert, ihre Finanzaufsicht auszubauen.