Jörg Schild: «Die Glaubwürdigkeit des Sports hat sehr gelitten»

Elf Jahre lang war der Basler Jörg Schild Präsident von Swiss Olympic. Wegen der Altersbeschränkung kann er sich am Freitag nicht mehr zur Wiederwahl stellen. Im Interview mit der Schweizerischen Depeschenagentur zieht der 70-Jährige Bilanz.

(Bild: Basile Bornand)

Elf Jahre lang war der Basler Jörg Schild Präsident von Swiss Olympic. Wegen der Altersbeschränkung kann er sich am Freitag nicht mehr zur Wiederwahl stellen. Im Interview mit der Schweizerischen Depeschenagentur zieht der 70-Jährige Bilanz.

Jörg Schild, 2005 haben Sie gemäss eigener Aussage das «Hobby zum Beruf» gemacht. Hätten Sie sich damals Ihre Aufgabe einfacher vorgestellt?

Ich war damals schon 14 Jahre Basler Regierungsrat und habe gepokert, als ich für diesen Job angefragt wurde. Mein Gegenkandidat Marc Furrer hatte von höchster Warte Unterstützung (Adolf Ogi; Anm. d. Red.). Das Wagnis ging aber zu meiner grossen Freude auf. Das für mich am meisten Belastende war schon zu meiner Zeit als Regierungsrat die Personalpolitik, das hat sich bei Swiss Olympic fortgesetzt. Ich habe gerne zufriedene Leute um mich herum. Wenn das nicht der Fall war, dann hat mich das belastet.

Sind Sie denn jetzt zufrieden, wie Swiss Olympic personell aufgestellt ist?

Wenn ich auf die elf Jahre zurückschaue, dann hatte ich zugegebenermassen nicht immer die glücklichste Hand. Aber im Nachhinein weiss man immer mehr.

» Ausgburger, Landolt, Stahl – die Kandidaten für Jörg Schilds Nachfolge und was sie sagen

Wie lautet Ihre Bilanz nach mehr als einem Jahrzehnt als Leader des Schweizer Sports?

Mir selber auf die Schulter zu klopfen, liegt mir nicht. Auch ist Leader wohl der falsche Ausdruck, denn im Sport wird auf verschiedenen Tanzflächen getanzt.

Mal abgesehen von der Bezeichnung: Es muss doch bestimmt einige Punkte geben, die Sie freuen?

Wichtig war sicher die klare Kompetenzregelung unter den verschiedenen Akteuren, so dass Doppelspurigkeiten vermieden werden konnten. Viel Freude habe ich auch daran, dass wir bald einmal Athletenvertreter in unserem Exekutivrat hatten, und dass die Gelder von den kantonalen Lotteriegesellschaften mehr als verdoppelt werden konnten. Der Schweizer Sport kann aus den vorhandenen Mitteln nur dann das Optimum herausholen, wenn alle Akteure am gleichen Strick in der gleichen Richtung und gleich stark ziehen.

Erhält Antidoping Schweiz denn auch genügend Unterstützung durch den Bund und durch Swiss Olympic?

Es gilt für alle, mit dem vorhandenen Geld möglichst gut zu haushalten, so auch für uns. Glaubt man, davon nicht genügend zu haben, so muss man in seinem Fachgebiet halt Prioritäten setzen. Dies soll aber nicht etwa als Vorwurf gelten.

Wie steht es um die internationalen Antidoping-Bestrebungen, insbesondere im Nachgang zum Skandal um Russland?

Dass dieser peinliche Streit zwischen der Welt-Antidoping-Agentur WADA und dem IOC in der Öffentlichkeit ausgetragen worden ist, war der Sache nicht dienlich. Wenn es aber zur Folge hat, dass wieder klare Zuständigkeiten und Regeln geschaffen werden, dann ist es okay. Im Dopingkampf ist für die WADA möglichst Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit gefordert. Die Einflussnahme der Politik auf den Sport ist dabei zu verurteilen.

Antidoping Schweiz wurde ausgelagert, die Stiftung Schweizer Sporthilfe hingegen wurde Swiss Olympic unterstellt. Was brachte diese Massnahme?

Unterstellung ist der falsche Ausdruck. Die Sporthilfe zügelte ins Haus des Sports. Es gab Doppelspurigkeiten bei der Finanzierung und der Mittelsuche. In unserem kleinen Land war deshalb eine Bündelung erstrebenswert. Die Sporthilfe blieb jedoch eine selbstständige Stiftung.

Weshalb?

Dies ermöglicht es, auch andere Sponsoren zu finden, die nicht an die olympische Exklusivität gebunden sind. Nun finanziert die Sporthilfe, teils auch mit Geldern von uns, die Athleten, wobei die Kriterien von uns aufgestellt werden. Wir hingegen unterstützen und fördern die Verbände. Eine andere, im Grundsatz richtige Massnahme war zudem 2006 auch die Kooperationsvereinbarung von Swiss Olympic mit dem Bund. In dieser wurde klar geregelt, was im Schweizer Sport wir und was Magglingen, also das Bundesamt für Sport, macht.

«Man ist sehr schnell in der Parlamentarischen Gruppe Sport und zeigt sich gerne mit Medaillengewinnern.»

Viele attestieren Ihnen, dass Sie den Job als Präsident gut gemacht hätten. Kritik war und ist zu vernehmen, dass die 2005 von Ihnen angestrebte Sport-Lobby nicht wirklich schlagkräftig daherkommt.

Auf kantonaler Ebene haben wir das Ziel erreicht. Die Nagelprobe mit einer Sportabstimmung im Parlament auf Bundesebene folgt erst noch. Ich bin optimistisch, dieses Geschäft gut vorbereitet zu haben. Darauf kann mein Nachfolger aufbauen.

Vermissen Sie eigentlich Parlamentarier, die sich im Politikbetrieb an vorderster Stelle und engagiert für den Sport einsetzen?

Ohne jemanden anprangern zu wollen, stelle ich fest: Man ist sehr schnell in der Parlamentarischen Gruppe Sport. Man zeigt sich gerne mit Medaillengewinnern. Man besucht auch gerne Fussball-Länderspiele und andere Sport-Highlights. Zum Vorwurf, wir würden im Bundeshaus zu wenig Lobbying betreiben, weise ich darauf hin, dass sowohl der Präsident der Parlamentarischen Gruppe Sport wie auch der Fraktionschef der grössten Fraktion Mitglieder unseres Exekutivrates sind. Zudem gehört der Sportminister derselben Partei an. Ob dies nebst diversen persönlichen Kontakten ausreicht, wird sich im nächsten Jahr anlässlich der parlamentarischen Behandlung der Gesamtschau Sportförderung zeigen.

Am 25. November wird Ihr Nachfolger gewählt. Erfüllen alle drei Kandidaten das Anforderungsprofil?

Da müssen Sie nicht mich fragen. Ich gehörte der Findungskommission, die sich um meine Nachfolge kümmert, nicht an. Deshalb war ich auch in den Hearings mit den Kandidaten nicht dabei.

Die Wahl des neuen Swiss-Olympic-Präsidenten

Nachdem sich der vom Schiesssport-Verband portierte Rechtsanwalt Franz Stämpfli vor einer Woche zurückgezogen hat, stellen sich dem Sportparlament an diesem Freitag in Ittingen die drei Kandidaten Werner Augsburger, Martin Landolt und Jürg Stahl zur Wahl als Nachfolger von Jörg Schild.

Das Wahlprozedere und die Verteilung der Stimmen im Sportparlament skizziert Swiss Olympic im Beitrag «So wird der neue Präsident gewählt».

Die drei Kandidaten in Interviews:

Werner Augsburger: Der Erfahrene (Freiburger Zeitung)
Martin Landolt: «Ich will die Spiele in die Schweiz holen» (NZZ)
Jürg Stahl: «Es ist Zeit für vernünftige Spiele» (NZZ)

Doch um Ihre Nachfolge gekümmert haben Sie sich schon, oder nicht?

Ich stehe offen dazu, dass ich mich am Anfang engagiert habe, Franz Julen für den Job zu gewinnen. Leider hat er aber abgesagt. Später einigte sich die Kommission mit dem Vorsitzenden René Stammbach auf die Kandidaten, die nach ihrer Ansicht die Bedingungen erfüllen.

Wie gross ist der Aufwand des Swiss-Olympic-Präsidenten überhaupt?

Mir hat man das Amt damals mit 40 Prozent schmackhaft gemacht. Es gibt Wochen, da reichen auch nur 30 Prozent. Dann aber gibt es auch Phasen, in welchem das Amt über 100 Prozent ausmacht. Durchschnittlich waren es in letzter Zeit aber sicher weit über 50 Prozent.

Es gibt nun Kandidaten, die scheinen mit ihren bisherigen Mandaten schon sehr ausgelastet zu sein. Geht der Job als Swiss-Olympic-Präsident also auch im Nebenamt?

Am Ende geht es darum, dass die Arbeit gemacht ist. Und zwar gut gemacht ist. Mir hat dieser Job wahnsinnig gut gefallen, doch daneben hätte ich nicht noch ein weiteres Amt mit grosser Verantwortung ausüben können. Einfach nur so nebenbei geht Swiss-Olympic-Präsident zu sein nicht. Ich kann aber den Aufwand nicht beurteilen, den beispielsweise ein Nationalrat hat. Da spielt auch eine Rolle, in wie vielen Kommissionen man sitzt. Jeder muss sich letztlich seine Zeit selbst einteilen.

«So leicht, wie wir für 2022 die Winterspiele hätten bekommen können, wird es nie mehr.»

Wie stufen Sie die Aussichten ein, dass eine Schweizer Olympia-Kandidatur für 2026 zustande kommt?

Es ist erfreulich, dass vier, fünf Interessengruppen auf uns zukamen. Denn es waren ja nicht wir, die so kurz nach der gescheiterten Bündner Kandidatur für 2022 bereits wieder Olympische Spiele wollten. Doch mit der Agenda 2020 strebt das IOC eine Redimensionierung an. Weil zudem für 2022 kein europäischer Ort den Zuschlag erhielt, ergab dies unerwartet für eine Schweizer Kandidatur wieder Perspektiven. Aber so leicht, wie wir für 2022 die Winterspiele hätten bekommen können, wird es nie mehr. Doch blicken wir besser in die Zukunft.

Wird es also eine Schweizer Kandidatur geben?

Das sehen wir erst nächsten Frühling. Doch der Prozess ist auf gutem Weg. Die gesunde Rivalität zwischen den noch vier Interessengruppen sehe ich als positiv an. Swiss Olympic wird alle Projekte sorgfältig und wohlwollend prüfen. Ein zentraler Grundgedanke ist allerdings, dass das Herz der Spiele möglichst in den Bergen schlagen soll. Auch ist klar, dass wir möglichst bestehende Anlagen benützen wollen und sollen. Beispielsweise die Bob-Wettbewerbe würden bei allen Kandidaturen in St. Moritz stattfinden. Generell bin ich beeindruckt, wie weit einige Projekte schon sind.

Würde eine allfällige Schweizer Kandidatur beim IOC Anklang finden?

Davon bin ich überzeugt. Die Erfahrung zeigt, dass die höhere Hürde als das IOC die Volksabstimmungen in der Schweiz sind. Aber zum Glück kann bei uns das Volk in solchen Angelegenheiten mitbestimmen. Zuhören und argumentieren dient der Sache.

Sie erwähnen die Abstimmungen. Da ist es kaum hilfreich, dass es um das Image des Sports nicht gerade gut bestellt ist.

Auch wenn man das bei gewissen internationalen Verbänden mit Sitz in der Schweiz nicht gerne hört, so ist doch Fakt, dass die Glaubwürdigkeit des Sports zuletzt sehr gelitten hat. Stichworte sind Doping, Korruption, Gewalt in und um Stadien, und auch die immensen Summen, die bereits jungen Sportlern bezahlt werden. Gegen all dies anzukämpfen, ist sehr schwierig für uns.

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«Man muss aufhören, solange noch ein paar Leute klatschen» – Jörg Schild im ausführlichen Gespräch mit der TagesWoche im Februar 2015

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