Trotz der US-geführten Luftangriffe weitet die IS-Terrormiliz ihr Machtgebiet in Syrien und im Irak weiter dramatisch aus. Nach Eroberung eines letzten Kontrollpunkts ist fast die ganze syrisch-irakische Grenze in ihrer Hand.
Die Erstürmung der irakischen Stadt Ramadi, 100 Kilometer vor Bagdad, markierte am Sonntag den Auftakt der neuen IS-Offensive. Die Versuche der irakischen Streitkräfte, die sunnitisch dominierte Provinzhauptstadt rasch zurückzuerobern, wurden von den Extremisten durchkreuzt.
Sie griffen am Donnerstagabend Positionen der Streitkräfte und schiitischer Milizen an, die die Rückeroberung starten sollten. Nach Angaben eines ranghohen irakischen Polizisten und eines Stammesführers drangen sie 500 Meter hinter die Verteidigungslinien der Streitkräfte vor.
Die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte teilte am späten Donnerstagabend mit, IS-Kämpfer hätten den von der syrischen Armee gehaltenen Grenzübergang von Al-Tanaf nach Al-Walid erobert. Der Kontrollpunkt liegt an der Hauptstrasse von Damaskus nach Bagdad.
Sie hätten nun bis auf einen kurzen Abschnitt, der in kurdischer Hand ist, die gesamte syrisch-irakische Grenze unter ihrer Kontrolle. Die Beobachtungsstelle verfügt in Syrien über ein dichtes Netz an Informanten, von unabhängiger Seite sind ihre Angaben kaum zu überprüfen.
Hinrichtungen in Palmyra
Die syrische Stadt Palmyra war am Mittwoch an die IS-Extremisten gefallen. Damaskus-treue Truppen hätten die Stadt verlassen, nachdem «eine grosse Zahl an Terroristen» vorgedrungen seien, berichteten die Staatsmedien am Freitag.
Nach der Eroberung durchkämmten sie laut der Beobachtungsstelle die Strassen und richteten 17 Menschen hin, darunter auch Zivilisten. Überdies verhängten sie ein Ausgehverbot und hinderten die Zivilbevölkerung damit an der Flucht.
Unter Kontrolle des IS stehen nun auch die antiken Stätten von Palmyra, einem Weltkulturerbe. UNESCO-Chefin Irina Bokova hatte die 2000 Jahre alten Ruinen als «Wiege der Menschheit» bezeichnet und die Staatengemeinschaft zu ihrem Schutz aufgerufen. Am Freitag veröffentlichte der IS zwar Bilder von seinen Kämpfern in der Stadt, nicht aber von den historischen Stätten.
Spital in der Hand der Al-Nusra-Front
Auch im Norden Syriens musste die Assad-Regierung am Freitag eine Niederlage hinnehmen: In der Stadt Dschisr al-Schogur in der Provinz Idlib verlor das Regime auch seinen letzten Rückzugsort.
Kämpfer der mit Al-Kaida verbündeten Al-Nusra-Front hätten ein von Regierungskräften gehaltenes Spital in der Provinz Idlib eingenommen, meldeten die Menschenrechtsbeobachter. In dem Spital waren seit fast einem Monat rund 150 Regierungssoldaten und dutzende Zivilisten eingeschlossen. Die Al-Nusra-Front beherrscht die Provinz Idlib fast vollständig.
Ruf nach US-Bodentruppen
Nach den militärischen Erfolgen der Terrormiliz IS fordert nun der einflussreiche US-Senator John McCain die Entsendung von US-Bodentruppen in den Irak. «Ich würde sagen: 10’000 Mann», sagte der Republikaner am Freitag dem TV-Sender CNN.
Die Strategie von Präsident Barack Obama, lediglich Kampfjets einzusetzen, sei ein Fehlschlag. Ziel der IS-Terroristen sei nicht nur die Kontrolle über den Irak oder Syrien, sondern auch Anschläge in Europa und den USA. «Das Ziel sind wir», sagte McCain.
Obama lehnt die Entsendung von Bodentruppen strikt ab. Das Pentagon kündigte bisher lediglich an, es würden 2000 weitere Panzerabwehrraketen an den Irak geliefert.
Die Eroberung der irakischen Stadt Ramadi und der antiken Ruinenstadt Palmyra in Syrien durch IS-Kämpfer bezeichnete Obama lediglich als «taktischen Rückschlag». «Ich glaube nicht, dass wir verlieren», sagte er dem «Atlantic Magazine». Allerdings betonte er, der Kampf gegen die IS-Terroristen werde mehrere Jahre dauern. Die USA und ihre Verbündeten bombardieren seit Monaten IS-Stellungen im Irak und in Syrien.