Anthony Joshua bleibt IBF-Schwergewichts-Weltmeister und holt sich nach einem Box-Spektakel den vakanten Titel eines WBA-Super-Champions sowie den (unbedeutenden) IBO-WM-Gürtel dazu.
Der 27-jährige Engländer besiegte vor 90’000 Zuschauern im Londoner Wembley-Stadion in einem dramatischen Duell den langjährigen Schwergewichts-Weltmeister Wladimir Klitschko durch technischen K.o. in der 11. Runde.
Der Ringrichter brach den Fight nach zwei Minuten und 25 Sekunden der 11. Runde nach zwei Niederschlägen von Joshua und einer weiteren Schlagserie des Titelhalters ab. Bis zum Abbruch war der äusserst fair geführte Fight der je 1,98 m grossen Faustkämpfer (1,98 m) hochklassig.
Es war der beste Schwergewichts-WM-Fight in diesem Jahrzehnt. Das Duell hätte allemal auch auf Klitschkos Seite kippen können. Nach zehn Runden sahen zwei der drei Punktrichter Joshua voran (96:93 und 95:93), beim dritten, einem Amerikaner, lag Klitschko in Führung (95:93).
Beide Boxer waren vor der 11. Runde je einmal zu Boden gegangen, Klitschko in der 5. und Joshua in der 6. Runde. Doch der Engländer kam gegen den 41-jährigen Ukrainer wieder zurück. Erstmals in seiner Profi-Karriere musste der explosiv und wuchtig schlagende Joshua in seinem 19. Profikampf über sieben Runden boxen, um den Ring erneut als Sieger zu verlassen. Ebenso ging er erstmals in seiner Profi-Laufbahn zu Boden.
Dramatik pur in der 5. Runde
Die fünfte Runde war einer der spektakulärsten Umgänge der Schwergewichts-Geschichte. Nach einer schweren Rechten Joshuas musste Klitschko zu Boden, und eine K.o.-Niederlage lag in der Luft. Der Herausforderer blutete aus einem Cut am linken Auge. Aber Klitschko kam zurück. In der folgenden Runde schien der Titelverteidiger am Ende und musste nach einem rechten Cross von Klitschko zum Kopf seinerseits zu Boden.
Und dieser Niederschlag wirkte auch noch in den beiden folgenden Runden deutlich nach. Joshua hielt sich nur schwer atmend und taumelnd auf den Beinen. Doch Klitschko setzte nicht konsequent genug nach. «Nach diesem Wirkungstreffer hätte Klitschko auf den Körper gehen müssen, aber das hat er nicht im Repertoire», monierte der frühere englische Schwergewichts-Weltmeister Lennox Lewis. Joshua erholte sich daraufhin langsam und meldete sich eindrucksvoll in den Fight zurück.
«Ich hatte schon vor dem Kampf einen Klassiker versprochen. Das ist der Fight auch geworden», sagte Joshua nach einer Leistung, die ihn fraglos zum aktuell besten Schwergewichts-Champion adelt. Und er fügte an: «Ich habe für Wladimir Klitschko grossen Respekt. Er ist ein Vorbild fürs Boxen. Ich selbst kann mich immer noch verbessern. In diesem Sport geht es viel um Charakter. Du musst an Dich glauben. Das habe ich getan und bin nach dem Niederschlag zurückgekommen.»
Klitschko dagegen verpasste es in seinem ersten Kampf seit der Niederlage gegen Tyson Fury vor 17 Monaten, als erst fünfter Boxer nach Muhammad Ali, Lennox Lewis, Evander Holyfield und seinem Bruder Vitali zum dritten Mal Weltmeister im Schwergewicht zu werden. «Dieser grossartige Kampf hat das Schwergewichts-Boxen auf die grosse Bühne zurückgebracht», bilanzierte Holyfield, der gar vier Mal Schwergewichts-Weltmeister war, gegenüber dem deutschen TV-Sender RTL.
Joshua: «Bereit für Rückkampf»
Nach dem Kampf sagte der unterlegene Klitschko: «Ich hatte geplant, den Ring als Sieger zu verlassen. Ich war in Topform und muss die Niederlage nun akzeptieren. Ich war kurz vor dem Sieg und muss es nun so nehmen wie es ist. Doch Anthony lieferte einen grossen Kampf. Er ist ein starker Champion.»
Joshua schickte noch im Ring eine Kampf-Aufforderung nach dem aktuell noch ausser Traktanden stehenden Tyson Fury. Der Titelhalter sagte später dann aber auch noch: «Wenn Klitschko einen Rückkampf will, bin ich definitiv bereit dafür. Wladimir hat gezeigt, dass er es noch drauf hat.» Trotz der grossen Leistung scheint Klitschkos Karriereende bevorzustehen, auch wenn ein Rückkampf laut dem Ukrainer vertraglich vereinbart ist. «Geben Sie mir ein paar Tage oder Wochen Zeit.» Mit seinem TV-Partner RTL hat Klitschko noch einen Vertrag für drei Kämpfe.
Der Olympiasieger von Atlanta 1996 kassierte gegen den Goldmedaillengewinner von London 2012 die fünfte Niederlage in seinem 69. Profikampf. Sowohl Klitschko als auch Joshua kassierten eine Kampfbörse von jeweils rund 20 Millionen Franken.