Vor dem EU-Gipfel in der kommenden Woche, bei dem es auch um die Flüchtlingskrise geht, hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die EU-Staats- und Regierungschefs scharf kritisiert.
«Es reicht nicht, abends vor den Fernsehschirmen zu weinen, wenn Menschen im Mittelmeer ertrinken, und am nächsten Morgen im Rat eine Gedenkminute abzuhalten», sagte Juncker dem «Spiegel» in der neuen Ausgabe vom Samstag.
Die EU-Kommission werde trotz des Widerstandes in vielen Hauptstädten an den Plänen für eine verpflichtende Quote zur Verteilung von Flüchtlingen festhalten, kündigte Juncker an. «Auch wenn uns der nächste Europäische Rat in die Schranken weist, werden wir das Feld nicht räumen.»
Auch Luxemburgs Premierminister Xavier Bettel, der im Juli die halbjährliche EU-Ratspräsidentschaft übernimmt, kritisierte seine Kollegen im Europäischen Rat.
Die anfangs gezeigte Solidarität nach der Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer sei «in den letzten Wochen schnell verpufft», sagte Bettel. «Wenn der Ratspräsident mit dem Taschenrechner ausrechnen muss, ob überhaupt eine Mehrheit für Solidarität mit den Flüchtlingen zusammenkommt, dann schäme ich mich.»
Weltweit sind nach UNO-Angaben etwa 60 Millionen Menschen aus ihrer Heimat vertrieben, beinahe 20 Millionen seien Flüchtlinge, die internationale Grenzen passiert hätten, die Hälfte davon Kinder. Trotz der Tragödien «verschliessen einige Länder, die in der Lage wären zu helfen, ihre Tore», kritisierte das UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR.