Die Playoff-Halbfinal-Konstellation ist simpel: Titelverteidiger Kadetten Schaffhausen (gegen St. Otmar St. Gallen) und Cupsieger Pfadi Winterthur (gegen Wacker Thun ) sind klar zu favorisieren.
In der Handball-NLA bestimmen normalerweise die Kadetten den Rhythmus. Ihre Dominanz im nationalen Klub-Handball ist vergleichbar mit jener des Schweizer Fussball-Primus Basel. Beide Organisationen haben in den letzten elf Jahren acht Meisterschaften gewonnen, dank ihrem Knowhow und ihrer in jeglicher Beziehung komfortablen personellen Ausrichtung grenzen sie sich deutlich von der Konkurrenz ab.
Schaffhausen funktioniert im Bedarfsfall auch antizyklisch. Am letzten Weihnachtsessen beglückwünschten sie sich beim Leader nach 15 Siegen in 18 Runden nicht gegenseitig, sondern stellten den früheren Weltmeister Markus Baur als Trainer frei. Präsident und Mäzen Giorgio Behr verordnete eine Korrektur, weil er die Entwicklung der sehr gut bestückten Equipe beschleunigen wollte.
Die Verpflichtung des dänischen Trainers Lars Walther sei richtig gewesen. «Er greift ein und korrigiert taktische Details.» Behr ist überzeugt, «dass wir einen Schritt weiter sind als vor einem Jahr. Wir sind vielseitiger und besitzen mehr Varianten».
Der charismatische Chef an der Spitze des Titelhalters unterschätzt die Herausforderer zwar nicht, aber von Understatement hält er wenig. «Wir müssen und wollen Meister werden. Gegen St. Gallen wird es hart, aber in einer Serie über fünf Spiele können wir eigentlich gegen niemanden verlieren.»
Nach sportlichem Ermessen ist tatsächlich nicht mit einem zeitnahen Schaffhauser Kollaps zu rechnen. Die Stars der Szene sind beim Champion engagiert – der nächste Topskorer kommt im Sommer an: Micha Szyba, Stammaufbauer des WM-Dritten Polen. «Wir bleiben eine Bastion», sagt Behr.
Nicht nur an der Spitze sind die Kadetten perfekt gruppiert. Auch an der Basis stimmen die Ergebnisse. Die klubeigene Espoirs-Auswahl gehört in der NLB zu den Top 3, weitere Talente spielen in der 1.-Liga-Mannschaft. Auf U19- und U17-Stufe sind die Schaffhauser ebenso tonangebend. «Wir arbeiten sehr systematisch», fasst Behr zusammen.
Pfadi ein seriöser Gegenspieler
Als Nummer 2 hinter dem uneingeschränkten Favoriten hat sich Pfadi Winterthur etabliert. Die Zürcher haben die NLA in den Neunzigerjahren unter dem Patronat des 2010 verstorbenen Wirtschaftskapitäns Peter Spälti im ähnlichen Stil wie Schaffhausen geprägt. Vorübergehend musste der Verein zurückbuchstabieren. Inzwischen stehen wieder genügend Ressourcen bereit, regelmässig den Gewinn einer Trophäe anzupeilen. Und die Perspektive, 2018 ein modernes Stadion zu beziehen, macht Kräfte frei.
Während der mittlerweile über neunjährigen Ära von Coach Adi Brüngger hat sich Winterthur zum seriösen Gegenspieler Schaffhausens entwickelt. Der Cupsieger verfügt über eine nicht zu unterschätzende Reichweite. Talent ist reichlich vorhanden. Fünf Spieler gehören zum Kreis der neu formierten Nationalmannschaft. Im europäischen Wettbewerb deuteten Pfadis Hoffnungsträger beim Triumph gegen den polnischen Topklub Azoty Pulawy ihr Potenzial an.
«Die internationalen Spiele waren ein Geschenk und eine sehr gute Plattform für die Jungen, um weitere Fortschritte zu machen», betont Brüngger. Die Chancen taxiert er als beträchtlich, Wacker in der Halbfinal-Serie ausschalten zu können. «Der Formverlauf passt, im Februar und im März spielten wir sehr konstant.»
Ganz auszuschliessen seien Überraschungen aber selbstredend nie, so Brüngger. «Das haben wir gerade eben beim Eishockey deutlich gesehen. Man muss im Playoff immer auch mit Pech und Verletzungen umgehen können.» Im vergangenen Frühling scheiterte Pfadi gegen den Aussenseiter St. Otmar nicht zuletzt deshalb, weil im entscheidenden Duell sieben Leistungsträger medizinisch bedingt Forfait erklären mussten.
Wackers Schweizer Achse
St. Otmar wird den Final-Coup des Vorjahres kaum wiederholen können. Die Ostschweizer sind auf den Ausländerpositionen nach wie vor erstklassig besetzt. Keeper Martin Galia will seine NLA-Derniere so lange wie möglich verzögern. Und im Angriff sorgen Tomas Babak und Co. für Action – 61 Prozent der 742 St. Galler Treffer haben die Professionals aus dem EURO-Raum produziert. In der Halbfinal-Begegnung mit Schaffhausen dürfte ihre Wurfkraft trotzdem nicht genügen.
Eine ähnliche Aussenseiterrolle wie St. Otmar spielt Wacker Thun. Die seit 2007 von Martin Rubin gecoachte Auswahl gilt als hartnäckig, ausgesprochen kampf- und heimstark. Der einzige Schweizer Vertreter, der im Schnitt über 1000 Fans anlockt, lebt primär von seinem Enthusiasmus und der im Kollektiv erzeugten Energie. Das Schweizer Element ist wie beim Halbfinal-Kontrahenten Pfadi ausgeprägt. Das Prunkstück ist die Rückraumachse um den NLA-Topskorer Lukas von Deschwanden.