Kalinkas Vater steht wegen Entführung vor Gericht

Mehr als 30 Jahre nach dem mysteriösen Tod der 14-jährigen Kalinka hat im elsässischen Mülhausen der Prozess gegen ihren leiblichen Vater begonnen. André Bamberski soll die Entführung des deutschen Stiefvaters seiner Tochter 2009 nach Frankreich eingefädelt haben.

André Bamberski vor dem Gericht in Mülhausen (Bild: sda)

Mehr als 30 Jahre nach dem mysteriösen Tod der 14-jährigen Kalinka hat im elsässischen Mülhausen der Prozess gegen ihren leiblichen Vater begonnen. André Bamberski soll die Entführung des deutschen Stiefvaters seiner Tochter 2009 nach Frankreich eingefädelt haben.

Der heute 76-jährige Bamberski wies Selbstjustiz-Vorwürfe zurück. Für ihn war immer klar, dass der deutsche Arzt seine Tochter vergewaltigt und getötet hat. Kalinka starb 1982 unter nie eindeutig geklärten Umständen im Haus ihres Stiefvaters in Lindau am Bodensee.

Deutschland hatte den Mediziner nicht ausgeliefert, die deutsche Justiz stellte schon 1987 ein Ermittlungsverfahren aus Mangel an Beweisen ein. Nach der Verschleppung wurde der Stiefvater jedoch in Frankreich vor Gericht gestellt und zu 15 Jahren Haft verurteilt.

Er soll vorgehabt haben, die Tochter seiner französischen Frau im gemeinsamen Wohnort Lindau sexuell zu missbrauchen und Kalinka ein Beruhigungsmittel verabreicht haben. Infolgedessen soll das Mädchen dann in seinem Bett im Haus des Arztes gestorben sein. Der Stiefvater hat immer seine Unschuld beteuert.

Seine «Pflicht als Vater» getan

Bamberski sagte am Donnerstag im Gerichtssaal: «Ich hätte nie vor Gericht gestellt werden dürfen.» Sein Anwalt Laurent de Caunes will auf Freispruch plädieren: «Man kann jemanden nicht dafür verurteilen, legitim gehandelt zu haben», sagte der Verteidiger am Rande der Verhandlung. Sein Mandant habe nur seine «Pflicht als Vater» getan und dafür gesorgt, dass der Arzt vor Gericht gestellt wurde, sagte de Caunes.

Bamberski drohen in Frankreich bis zu zehn Jahre Haft für Entführung, Beihilfe zur Gewaltanwendung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Mit ihm angeklagt sind die beiden mutmasslichen Entführer sowie eine Journalistin, die zwischen dem Vater und den Männern vermittelt haben soll.

Recht statt Rache

Der Arzt war 2009 von seinem Wohnort in Lindau am Bodensee ins Elsass entführt worden. Man hatte ihn gefesselt und geknebelt in der Nähe des Gerichts in Mülhausen gefunden. Bamberski griff selbst zum Telefonhörer, um die Ermittler zu informieren. Die Polizei nahm den Arzt fest. So wurde der Prozess in Frankreich möglich.

In Deutschland war der Mediziner 1997 wegen einer anderen Sexualstraftat verurteilt worden. Ein Gericht in Kempten verhängte zwei Jahre Haft auf Bewährung gegen ihn, weil er eine 16-Jährige mit Schlafmitteln ruhiggestellt und vergewaltigt hatte.

«In einem Rechtsstaat muss das Recht gelten, und nicht die Rache», sagte der Anwalt des Stiefvaters. Sein Mandant sei stundenlang geschlagen und gefoltert worden. «Er hätte sterben können», sagte Philippe Ohayon.

Der 79-jährige Arzt erschien aus gesundheitlichen Gründen nicht selbst. Der Prozess soll bis Freitag dauern. Wann das Urteil fällt, ist noch unklar.

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