Michel Aeschbacher hat sein Leben dem Kaffee verschrieben. An den Barista-Schweizer-Meisterschaften in St. Gallen hofft er, endlich den Titel zu holen.
Es ging alles sehr schnell. Zwei Kurse haben Michel Aeschbacher gereicht, um 2013 an den Schweizer Meisterschaften in Kaffeezubereitung, kurz Barista, den fünften Platz zu belegen. «Dass ich mit fast null Kaffeeerfahrung unter die besten fünf gelangt bin, spornte mich unglaublich an», erinnert sich der 25-Jährige heute.
In den folgenden zwei Jahren hat Aeschbacher sein Leben komplett umgekrempelt und dem Kaffee verschrieben.
Auf den fünften Platz 2013 folgte 2014 der zweite Rang. «Da sprang der Funke endgültig über», sagt Aeschbacher. Er besuchte Kurse in Mahlen, Brühen und Rösten und fing schliesslich an, selbst als Trainer an der Kaffeeakademie in Basel zu arbeiten.
«Ich bin ein Wahnsinniger.»
Davor arbeitete der gebürtige Baselbieter als Koch in der Sternegastronomie, doch irgendwann verleidete es ihm. Er wollte nicht länger versteckt in der Küche bleiben, er wollte nach draussen, zu den Menschen. Schliesslich ging er als Aussendienstler in eine Kaffee-Rösterei. «Bis dahin trank ich nur einmal im Monat Kaffee, welcher war mir egal.»
Der erste Barista-Kurs bedeutete einen Neuanfang. Doch wie kann eine braune Brühe zu einer Leidenschaft werden? «Ich bin ein Wahnsinniger», sagt Aeschbacher, als würde diese Bezeichnung alles erklären, und lacht. Es seien sein Ehrgeiz zum einen und sein Wissensdurst zum anderen, die er mit der Kaffeeleidenschaft befriedigen könne. Denn Kaffee, sagt Aeschbacher, sei ein sehr komplexes Produkt. «Mein Ehrgeiz erwacht, wenn es etwas gibt, bei dem ich nie auslernen kann.»
«Gut» ist nicht das Richtige
Für die diesjährigen Barista-Schweizer-Meisterschaften vom 6. bis 8. Februar in St. Gallen hat sich Aeschbacher einen ganz besonderen Kaffee ausgesucht, einen Arabica aus Kenia von der Plantage Wamuguma in der Nähe des Mount Kenia. Er schmecke fruchtig, blumig, auch nach Beeren, beschreibt Aeschbacher den Stoff seiner Wahl.
Für Laien schmeckt er erstmal gewöhnungsbedürftig, wenn nicht gar abstossend. Das sei normal, erklärt Aeschbacher: «Es ist kein Einfacher.» Man könnte meinen, er spreche von einer Person. Man müsse sich an ihn herantasten, um ihn kennenzulernen. Vorsichtig und mit Geduld, fährt der Barista fort. Es sei kein Kaffee, der auf Anhieb «gut» schmecke.
Aber «gut» sei auch nicht das Richtige für einen Meisterschaftskaffee. Um die siebenköpfige Jury zu überzeugen, braucht es etwas Besonderes. Aeschbacher weiss, wovon er spricht, schliesslich hat er sich an den Meisterschaften 2014 nicht nur den zweiten Platz, sondern auch den Preis für den geschmacklich besten Cappuccino geholt.
Michel Aeschbacher bei den letztjährigen Meisterschaften
Michel Aeschbacher: SCAE Barista-Schweizer-Meisterschaften 2014 from Swiss SCAE on Vimeo.
«Waas, gosch ga Chnöpfli drugge?», war die Reaktion eines Kumpels, als Aeschbacher ihm von den Barista-Meisterschaften erzählte. Natürlich nicht. Aber die Frage, was die rund 60 Teilnehmer dort eigentlich machen, ist durchaus berechtigt.
Die Show als Marketing-Strategie
Kurz erklärt: Bei der Disziplin Barista (es gibt insgesamt vier Disziplinen) müssen die Teilnehmer je einen Espresso, einen Cappuccino und eine Eigenkreation für vier Jury-Mitglieder zubereiten. Dafür haben sie genau 15 Minuten Zeit, jede weitere Sekunde gibt Abzug. Das Ganze soll eingebettet sein in eine möglichst gute Show – und die ist nicht zu unterschätzen.
Zwar werden Sensorik (Geschmack des Kaffees) und Technik (saubere Zubereitung) bei der Bewertung wesentlich stärker gewichtet, aber die Show bildet dennoch einen Leitfaden. Aeschbacher nennt es auch die «Marketing-Strategie» des Teilnehmers.
Wie sich Aeschbacher «verkaufen» wird, will er noch nicht verraten. Nur so viel vorab: In seiner Präsentation kommen jene drei Menschen vor, die ihn mit ihrer Leidenschaft besonders inspiriert haben. Über seine Eigenkreation sagt er: «Sie ist zusammen mit dem Barkeeper der EG Lounge entstanden.» Ausserdem gibt es auch etwas aus Aeschbachers Zeit als Koch zu kosten. Aber: «Der Traum vom ersten Platz könnte schwer zu erfüllen sein», meint Aeschbacher. Viele Teilnehmer seien sehr stark.
Die eigene Rösterei
Um die braunen Bohnen kreisen auch Aeschbachers Berufsziele. Nachdem er im November seinen Job gekündigt hat, macht er sich nun in der Kaffeewelt selbstständig. Zusammen mit einem Freund eröffnet er in Kürze die Showrösterei AG in Aarwangen. Das Gebäude von über 400 Quadratmetern haben die zwei in den letzten Monaten selbst renoviert. «Wir hatten mehr den Akkuschrauber in der Hand als den Siebträger», erzählt Aeschbacher.
Die Rösterei wollen sie regelmässig für interessierte Besucher öffnen, und natürlich verfolgen sie auch das Ziel, ausgesuchten Kaffee zu verkaufen, am liebsten an die Gastronomie. Bis es so weit ist, lebt Aeschbacher von seinem Verdienst als Kursleiter und von Kaffee-Einsätzen bei «rent a barista» – eine selbstgegründete Plattform, bei der er als professioneller Barista gebucht werden kann.
Zurzeit ist das aber zweitrangig. Was zählt, sind die bevorstehenden Meisterschaften. Er sei unglaublich nervös, darum sei Latte Art auch nicht sein Ding. «Meine Hand zittert so sehr, da kann ich keine komplizierten Formen auf den Cappuccino zeichnen.» Dennoch freut sich Aeschbacher auf den Moment, wenn er zur Jury sagen wird: «Ready? Time?», und dann endlich loslegen kann.