«Kanton Afrika»: Von Professoren und Pomeranzen

«Kanton Afrika» heisst das neue Buch des einzigartigen Schweizer Geschichtenerzählers Matto Kämpf. Es lädt zur Reise in die Vergangenheit, durchs ganze Land – und beschert uns wunderbar lustige und surreale Momente – am 3. April auch live, dann liest Kämpf daraus im Basler Buchladen antyk&wariat.

Hat wieder zugeschlagen: Der Berner Autor Matto Kämpf.

«Kanton Afrika» heisst das neue Buch des einzigartigen Schweizer Geschichtenerzählers Matto Kämpf. Es lädt zur Reise in die Vergangenheit, durchs ganze Land – und beschert uns wunderbar lustige und surreale Momente.

«Das Berner Oberland ist ein mit Tannen bewachsener Unsinn. Noch blöder ist es, wenn es schneit.»

Das ist ein Buchanfang! Das ist ein Versprechen! Das ist skurril, überraschend, lustig.

Das ist ein echter Kämpf. Endlich einer im Hardcover.

«Kanton Afrika» heisst das neue Buch von Matto Kämpf (*1970). Es handle sich dabei um «die unfreiwillige Schweizerreise meines Urgrossvaters Immanuel Kämpf, so wie sie bei uns am Familientisch an Weihnachten und zur Freude aller erzählt wird», wie uns der Autor im Vorwort vorgaukelt.

Wer das Schaffen des gebürtigen Thuners verfolgt, weiss, dass er ein besonderes Faible dafür hat, Erlebnisse seiner Verwandtschaft zu erfinden erzählen. Das offenbarte er im vergangenen Jahr auch am TV (bei «Comedy aus dem Labor») – und früher schon in Form einer wunderbaren Dia-Show namens «Habakuk», mit der wir hier bislang Unverkämpfte rasch gluschtig machen möchten:

Jetzt bringt Matto Kämpf, der TagesWoche-Leserschaft auch durch Gastbeiträge vertraut (unvergesslich etwa seine Samichlaus-Tragödie) seinen wunderbar skurrilen Humor in Form einer längeren Geschichte unter die Leute. Hatte er sich zuletzt auf schräge Tier-Anekdoten konzentriert, auf Postkarten oder Bildbeschreibungen, so ist er also wieder klassisch unterwegs, was die Form angeht, historisch schon fast, wie die gebrochene Titelschrift – gülden und gestanzt – glauben machen will. Wie schon sein legendärer «Krimi» (der zugleich Hommage und Parodie der Schweizer Klassiker über Wachtmeister Studer oder Kommissar Bärlach war), kommt auch «Kanton Afrika» leicht und formvollendet daher – und erscheint wie stets im wunderbaren Schweizer Nischenverlag «Der gesunde Menschenversand».

Buchtitel bezieht sich auf Kapitel über Basel

Kämpf schickt seinen Urgrossvater auf eine Tour de Suisse, ja, eine Tour du Surréalisme gar. Was dieser junge Immanuel Kämpf nicht alles erlebt, nach dem Tod seines Vaters: Er wird arretiert und in ein Verlies auf Schloss Thun gesteckt. Ein Zyklop erniedrigt ihn, eine Flucht drängt sich auf: Immanuel Kämpf inflatiert beim Melken einer Kuh deren Euter mit einem Blasbalg (liegt ja auf der Hand!) und fliegt und flieht, über die Berge: «Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er auf Reisen», weiss Kämpf – und so landet sein Oberländer Vorfahre zunächst im Wallis (wo er auf einen Pirmin trifft, der unverständlich spricht), dann im Waadtland (wo ihm eine «Pomeranze von prächtigem Wuchs, die an einem Apfelbaum zugange war», ins Auge sticht. «Wiewohl dem Französischen nicht mächtig, gedachte ich das Kleinod dennoch zu addressieren.» – Ist das nicht wunderhübsch formuliert?!)

So geht es weiter, über den Jura, das Mittelland nach Basel in den Osten bis in die Innerschweiz, wo Immanuel Kämpf auf einem Schlachtfeld landet und mit einem Kämpen in kurzen Dialog tritt:

Wo sind wir? frage ich ihn.

Am Morgarten bei Sempach.

Wer gegen wen?

Schweiz – Österreich.

Warum hat es auf beiden Seiten Schweizer?

Charakter.

So träf ist er, der Humor von Matto Kämpf, so zutreffend auch, entlarvend oft. Eine hintersinnige Betrachtung unserer Klischees, Eigenschaften und Geschichte, eine Persiflage und zugleich absurde Offenbarung, dieser «Kanton Afrika», den sich Helge Schneider nicht schöner hätte ausdenken können.

Der Titel bezieht sich übrigens auf das Kapitel, das in Basel spielt, wo Kämpf, der Bauernsohn, in die Kreise der Basler Gelehrten eingeladen wird, von Professoren unterrichtet und von einer Frau aus dem Daig unterhalten. So erfährt er, dass diese 21 Jahre lang in Afrika gelebt hatte und als Königin Basiliska vergöttert worden war. «Im Urwald sei es ihr gelungen aus Flamingo-Exkrementen ein rotes Rathaus zu errichten und die Kantonsgründung voranzutreiben.» Mehr sei hier nicht dazu verraten…

Was Asterix’ «Tour de France» für Frankreich, ist «Kanton Afrika» für die Schweiz: mit herrlichen Anspielungen und prächtigem Witz durchtränkte Pflichtlektüre. En passant erfindet Immanuel Kämpf allerhand, allergattig Sachen auf seiner Reise durch die Schweiz: schmelzenden Käse im Wallis, den Naturjutz in Basel, die praktische Psychologie im Aargau.

Angereichert wird all das mit fantastischen Figuren (Der Schreckliche Salamander von Spreitenbach! Der von der Natur abgefallene Hase von Holderbank!) und anderweitigen glatten Verschiebungen (gerne auch initiiert durch den Genuss von Absinthe, dem LSD der Jurassier). Herrlich kurzweilig.
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Matto Kämpf: «Kanton Afrika – Eine Erbauungsschrift», 104 Seiten, 2014. 25 Franken.
Der Gesunde Menschenversand.
Lesung: antyk&wariat, Hegenheimerstrasse 90, Basel. 3. April 2014.

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