Bisher blieben die grossen Flüchtlingsströme in der Schweiz aus. Die Situation scheint sich jetzt zu ändern. Die Kantone fassen die Aktivierung des Asyl-Notfallkonzeptes ins Auge.
Seit vergangenem Wochenende reisten deutlich mehr Asylsuchende in die Schweiz ein. Vor allem an der Ostgrenze spürt man den Anstieg: Jörg Köhler, Leiter des St.Galler Amts für Militär und Zivilschutz, bestätigt gegenüber dem «Echo der Zeit» von SRF: «Die Flüchtlingssituation hat sich dahingehend entwickelt, dass wir Spitzen mit doppeltem Anlauf von Flüchtlingen zu bewältigen hatten.»
Vor diesem Hintergrund spielt Hans-Jürg Käser, der Präsident der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren, spielt nun mit dem Gedanken, das Asyl-Notfallkonzept des Bundes hochzufahren. Die steigenden Asylzahlen der letzten Tage bereiteten den Kantonen Sorge, sagte Käser im Interview mit Radio SRF vom Samstag. Und der Druck werde eher noch steigen. Ihm zufolge leben insbesondere in Deutschland zahlreiche nicht registrierte Menschen aus Afghanistan. In diesen Fällen habe das Dublin-Abkommen «nicht funktioniert».
Eigentlich, so Käser, müsste man die Betroffenen in das erste Dublin-Land zurückschicken, in das sie eingereist sind. Doch diese Länder ausfindig zu machen, sei «nicht ganz einfach».
Am Freitag haben Bund und Kantone offenbar Notfallszenarien diskutiert. Käser möchte für einen Entscheid zuerst die Entwicklung der Zahlen auf dem Tisch haben. Für ihn muss man sich aber angesichts der aktuellen Situation darüber Gedanken machen, «jetzt das Notfallkonzept hochzufahren».
Für Bundesrat «kein Krisenszenario»
Das Konzept sieht unter anderem einen Sonderstab vor. Für Käser könnte damit das Land in seinen Führungsstrukturen «fit gemacht» werden, um grössere Zahlen von Asylsuchenden zu bewältigen. «Ich würde mir wünschen, dass man innerhalb der nächsten 14 Tage die entsprechenden Beschlüsse fasst», sagte er im Radio. Käser ist Regierungsrat im Kanton Bern.
Der Bundesrat hatte das Notfallkonzept Asyl im Jahr 2012 für ausserordentliche Lagen im Asylwesen verabschiedet. Zu den vorgesehenen Massnahmen gehört die Notstandsklausel im Asylgesetz. Sie ermächtigt den Bundesrat, in Abweichung des Asylgesetzes die Voraussetzungen für die Asylgewährung zu regeln und vereinfachte Verfahrensbestimmungen zu erlassen.
Erst gerade im September hatte der Bundesrat festgehalten, die Situation sei zwar schwierig, aber die Schweiz sei von einem Krisenszenario weit entfernt. Notrecht komme daher nicht in Frage. Die Voraussetzungen dafür wären nur bei einer ausserordentlich hohen Zahl von Asylsuchenden gegeben – wenn die Strukturen dauerhaft überlastet wären und eine ordentliche Behandlung der Asylgesuche auf unabsehbare Zeit nicht mehr sichergestellt wäre.
Allerdings hatte das Staatssekretariat für Migration (SEM) vor wenigen Tagen seine Prognosen für Asylgesuche korrigiert: von maximal 31’500 auf 32’000 bis 34’000 Gesuche. Grund dafür ist die Entwicklung auf der Balkanroute.