Gegen Widerstand aus Paris will die deutsche Kanzlerin Angela Merkel rasch eine Stärkung der Währungsunion mit Durchgriffsrechten für Brüssel erreichen. Der Dezembergipfel müsse dafür einen „ehrgeizigen Fahrplan“ mit „konkreten Massnahmen“ beschliessen.
Diese Massnahmen „wollen wir in den kommenden zwei drei Jahren umsetzen“, sagte Merkel am Mittwoch vor dem EU-Parlament in Brüssel. Damit machte sie Druck vor allem auf den französischen Staatschef François Hollande, der solche Eingriffe auf absehbare Zeit strikt ablehnt.
Für die Kanzlerin ist mehr Verbindlichkeit in der Haushaltspolitik „unverzichtbar“, um verloren gegangenes Vertrauen in die Eurozone zurückzugewinnen. Sie könne sich deswegen gut vorstellen, der Kommission „echte Durchgriffsrechte“ gegenüber den nationalen Haushalten zu gewähren, wo die vereinbarten Grenzwerte des Stabilitätspaktes nicht eingehalten werden.
Es müsse ein „sinnvoller Ausgleich“ zwischen „neuen Eingriffsrechten der europäischen Ebene und dem zu bewahrenden Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten und ihrer Parlamente“ gefunden werden. Die EU-Institutionen müssten aber „gestärkt werden, um Fehlverhalten und Regelverstösse wirksam korrigieren zu können“.
Auch die Wirtschaftspolitik will die CDU-Chefin europäisieren, und zwar bis zu „Kernbereichen der nationalen Souveränität“ wie der Arbeitsmarkt- oder Steuerpolitik. „Die europäischen Institutionen müssen gestärkt werden, um Fehlverhalten und Regelverstösse wirksam korrigieren zu können“, sagte die Kanzlerin.
Dafür sollen die Regierungen durchsetzbare Reformvereinbarungen mit der Kommission schliessen.
Erfinderisch sein
Änderungen des EU-Vertrages seien nötig, um Gründungsfehler der Wirtschafts- und Währungsunion zu beheben. „Wir müssen erfinderisch sein, wir müssen eigene, neue Lösungen finden“, sagte Merkel. Europa dürfe auch „nicht vor einer Änderung der vertraglichen Grundlagen zurückschrecken“.
Erste Erfolge im Kampf gegen die Krise seien bereits sichtbar. Dies reiche aber nicht aus. „Es bleibt noch viel zu tun, um das Vertrauen in die Europäische Union als Ganzes zurückzugewinnen.“
Merkel verwies auch auf Erfolge. „In Irland, Portugal und Spanien, aber auch in Griechenland sind die Lohnstückkosten spürbar gesunken – dies ist ein wichtiger Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit.“ Auch Defizite in den Leistungsbilanzen gingen zurück. Sie wisse aber, dass viele Menschen unter den nötigen Reformmassnahmen zu leiden hätten.
Gegen Austritt Grossbritanniens
Forderungen nach einem Austritt Grossbritanniens aus der EU erteilte Merkel eine klare Absage. „Ich möchte ein starkes Grossbritannien in der Europäischen Union“, betonte sie vor dem Europäischen Parlament.
Es wäre nicht gut für die EU, Grossbritannien zu verlieren, und nicht gut für die Briten, ausserhalb der Gemeinschaft zu stehen. „Man kann auf einer Insel sehr glücklich sein, aber alleine sind sie in dieser Welt auch nicht mehr glücklich“, betonte sie.