Einen Monat nach dem Untergang der südkoreanischen Fähre «Sewol» sind der Kapitän und drei weitere Besatzungsmitglieder wegen fahrlässiger Tötung angeklagt worden. Ihnen wird vorgeworfen, nichts für die Rettung der Passagiere getan zu haben.
Der 68-jährige Kapitän Lee Joon Seok, zwei Steuermännern und einem Ingenieur werde «Tötung durch grobe Fahrlässigkeit» zur Last gelegt, meldete die Nachrichtenagentur Yonhap am Donnerstag. Bei einer Verurteilung drohen ihnen lebenslange Haftstrafe oder gar die Todesstrafe.
Die vier hätten nichts unternommen, um die Passagiere des sinkenden Schiffs zu retten, sondern seien stattdessen selbst auf das erste Rettungsboot gegangen, sagte der leitende Staatsanwalt Yang Jong Kin. Die Angeklagten hätten nichts unternommen, um den Passagieren zu helfen – obwohl die Behörde für Meeressicherheit gegenteilige Anweisung gegeben habe, sagte Yang der Nachrichtenagentur AFP. Im Gegenteil: Als das Schiff hätte evakuiert werden müssen, hätten die Beschuldigten die Passagiere noch angewiesen, sich nicht vom Platz zu rühren.
Uniformen abgezogen
Demnach behielten der Kapitän und seine drei Mitangeklagten auch die Information für sich, dass ein Rettungsboot nahte – um sich selbst darauf flüchten zu können. Wie die Nachrichtenagentur Yonhap unter Berufung auf Staatsanwälte meldete, sollen die Beschuldigten hierfür ihre Uniformen gegen Zivilkleidung getauscht haben. Normalerweise verlassen der Kapitän und seine Mannschaft als Letzte ein sinkendes Schiff.
Auch wenn Kapitän Lee und seine drei Mitbeschuldigten zum Tode verurteilt werden sollten, ist ihre Hinrichtung doch sehr unwahrscheinlich. In Südkorea gilt seit 1997 ein Moratorium zur Todesstrafe, rund 60 Menschen wurden seitdem zum Tode verurteilt und sitzen im Gefängnis.
Elf weitere Besatzungsmitglieder niedrigeren Ranges müssen sich vor Gericht unter anderem wegen Fehlsteuerung der Fähre, Verlassen des Schiffs und unterlassener Hilfeleistung für die Passagiere verantworten, wie Staatsanwalt Yang weiter sagte.
Demnach trugen mehrere Gründe zum Ausmass der Katastrophe bei: Zum einen war die 20 Jahre alte Fähre instabil, nachdem bei Renovierungsarbeiten weitere Passagierkabinen eingebaut worden waren.
Zum anderen war das Schiff am Tag des Unglücks hoffnungslos überladen: Laut Yang wog die Fracht 2,14 Tonnen – erlaubt waren 1,08 Tonnen. Um die erforderliche Wasserlinie zu erreichen, seien 1,3 Tonnen Ballastwasser abgelassen worden. Damit wurde die Fähre noch instabiler.
Schlagseite nach scharfer Kurve
Des weiteren soll der Kapitän nicht in der Führerkabine gewesen sein, als die Fähre den für seine Strömungen bekannten Maenggol-Kanal erreichte. Zwei Steuermänner seien im Dienst gewesen, als das Schiff eine derart scharfe Kurve nahm, dass es Schlagseite bekam und wenig später anfing zu sinken, meldete der Fernsehender YTN TV unter Berufung auf Ermittler.
Am späten Mittwochabend wurden fünf weitere Leichen aus dem Wrack geborgen, am Donnerstag dann drei weitere. Nach Angaben der Küstenwache liegt die Zahl der bestätigten Toten damit bei 287, vier Wochen nach der Tragödie werden noch 20 Menschen vermisst. 476 Menschen waren bei dem Unglück an Bord, die meisten Schulkinder auf einem Klassenausflug.