Durch den Rücktritt von FIFA-Präsident Joseph Blatter dürfte die umstrittene Vergabe der WM-Endrunden 2018 und 2022 noch mehr in den Fokus rücken. Die Engländer fordern eine Neuausschreibung.
Der englische Verbandspräsident Greg Dyke fordert eine Neuausschreibung zumindest für die WM 2022 in Katar, sollte sich der Korruptionsverdacht bestätigen. «Wenn ich die katarischen Organisatoren wäre, würde ich nicht sehr gut schlafen. Wenn es Beweise geben sollte, die zeigen, dass der Bewerbungsprozess ehrlich und legal war, dann ist es gut. Wenn sich zeigen sollte, dass sie korrupt waren, dann sollten die Bewerbungen wiederholt werden, so einfach ist das», sagte er.
Nachdem der FIFA-Ermittler Michael Garcia offenbar nicht genügend belastendes Material gegen die WM-Kandidaturen von Katar und Russland gefunden hatte, untersucht nun die Bundesstaatsanwaltschaft den Fall. Am vergangenen Mittwoch wurden Dokumente und Datenträger am FIFA-Hauptsitz sichergestellt. Deshalb sagte Scheich Hamad Bin Khalifa Bin Ahmed Al-Thani, der Präsident des katarischen Verbandes: «Lassen wir jetzt mal die Justiz ihre Arbeit machen.»
Zur Forderung von Dyke hielt er eine zynische Replik bereit: «Wir würden vorschlagen, dass Herr Dyke sich darauf konzentriert, sein Versprechen einzulösen und bis zur WM 2022 in Katar eine englische Mannschaft aufbaut, die den Titel gewinnen kann.»
Auch die Vergabe der WM 2018 an Russland ist umstritten. Treibende Kraft hinter der Bewerbung der Russen war Staatspräsident Wladimir Putin. Dessen Nähe zu Blatter in fussball-politischen Belangen ist bekannt. Deshalb schrieben russische Medien am Mittwoch zum Rücktritt von Blatter von einer «unangenehmen Nachricht». «Der Rücktritt Blatters ist eine Tatsache, die für die russischen Interessen unangenehm und beunruhigend ist», schrieb Sport Express.
In der Machtzentrale in Moskau nahm man die Vorkommnisse der letzten Tage dagegen eher gelassen hin. «Wir haben keine Informationen über die Gründe von Blatters Rücktritt. Die Zusammenarbeit mit der FIFA wird weitergehen und, was besonders wichtig ist, Russland wird die Vorbereitung auf die WM 2018 vorantreiben», sagte ein Kreml-Sprecher.
Auch die Boykott-Drohung aus dem restlichen Europa beunruhigt die Russen nicht. «Wir haben von solchen Aussagen gehört, auch solche von Politikern. Aber ich denke, die Sport-Gemeinschaft wird das nicht unterstützen und wird nicht zulassen, dass sich die Welt des Sports entzweit», sagte er.
Eine neue rechtliche Grundlage für eine Neuausschreibung gibt er allein wegen des Rücktritts von Blatter nicht. Die Verträge der FIFA mit den Ausrichtern haben nichts mit der Person des Präsidenten zu tun. Ändern könnte sich die Situation erst, wenn die Justiz belastendes Material findet, gegen Blatter, den FIFA-Generalsekretär Jérôme Valcke oder ein Mitglied der FIFA-Exekutive, welches 2010 bei der fraglichen WM-Vergabe stimmberechtigt war.