Kate Winslet ging mit 22 unter und steht mit 40 ganz oben

Kate Winslets Aufstieg begann mit dem Untergang: Der «Titanic»-Jungstar ist zur Charakterdarstellerin gereift. Wir blicken zurück auf die grössten Erfolge der 40-Jährigen. Ihr Stern ging auf, als der alte Dampfer sank. Mit «Titanic» wurde Kate Winslet zum Jungstar in Hollywood, und seither blieb die Britin eine der konstant erfolgreichen und ebenso regelmässig gekürten Schauspielerinnen im […]

Actor Kate Winslet waves to spectators as she arrives on the red carpet at the gala for the film "The Dressmaker," at the 2015 Toronto International Film Festival in Toronto on Monday, Sept. 14, 2015. (Frank Gunn/The Canadian Press via AP)

Kate Winslets Aufstieg begann mit dem Untergang: Der «Titanic»-Jungstar ist zur Charakterdarstellerin gereift. Wir blicken zurück auf die grössten Erfolge der 40-Jährigen.

Ihr Stern ging auf, als der alte Dampfer sank. Mit «Titanic» wurde Kate Winslet zum Jungstar in Hollywood, und seither blieb die Britin eine der konstant erfolgreichen und ebenso regelmässig gekürten Schauspielerinnen im Kino. Keine sammelte in jungen Jahren so viele Oscar-Nominationen wie sie. Nun ist sie 40. Wir gratulieren. Und schauen zurück.

1. «Titanic» (1997)

 

Ein Gigant des Mainstream-Kinos der Neunzigerjahre, das gerade erst begann, die neuen digitalen Möglichkeiten für neue kommerzielle Höhenflüge auszuschlachten. James Camerons Saga über den angeblich unsinkbaren Riesendampfer wurde ein episches Leinwandspektakel, das als erstes seit «Ben Hur» elf Oscars holte. Und wie beim Sandalenfilm aus den Fünfzigerjahren waren für die Schauspieler neben der Technik höchstens Nebenrollen vorgesehen. Die beiden jungen Hauptdarsteller machten das Untergangsdrama jedoch zu einer der denkwürdigsten Leinwandromanzen der vergangenen Jahrzehnte. Kate Winslet und Leonardo di Caprio eroberten Hollywood mit ihren Umarmungen an der Reling – und gaben ihre Logenplätze seither nicht mehr frei.

2. «Quills» (2000)

 

«Titanic» war ein derart gigantischer Erfolg, dass er auch schon das Ende von Winslets junger Karriere hätte einleiten können, denn schwer drückt die Aufstiegsrolle auf dem Karriereblatt. Kate Winslet schien das zu realisieren – und vollzog einen deutlichen Rollenwechsel. Kleinere Filme, sperrigere Stoffe und Filmpartner, neben denen sie weiter wachsen konnte. Zum Beispiel Geoffrey Rush: Als im Sanatorium eingekerkerter Marquis de Sade benutzt er eine Magd (Winslet), um seine Manuskripte raus an die Öffentlichkeit zu schmuggeln. So entsteht (nicht ganz getreu der Historie) sein grosser Skandalerfolg «Justine», und das Drama nimmt hinter Sanatoriumsmauern seinen Lauf. Zwischen Geistlichkeit und Staat entbrennt dank de Sade ein Kampf um Moral und Vergeltung, an dessen Ende die zentralen Figuren dahingerafft oder umnachtet am Boden liegen. Ein glänzendes Kammerspiel, neben Rush und Winslet mit Michael Caine und Joaquin Phoenix bestens besetzt.

3. «Eternal Sunshine Of The Spotless Mind» (2004)

Wer nichts erlebt, braucht auch nichts zu vergessen. So ist’s im Leben und erst recht in der Liebe. Doch in Michel Gondrys fantastisch verdrehtem, immer wieder verblüffend lustig-traurigen Film wird genau das möglich: Zwei sehr unterschiedliche Charaktere (Jim Carrey und Kate Winslet) finden sich in der Liebe – und doch nicht zueinander. Um den Schmerz nicht ertragen zu müssen, greifen sie unabhängig voneinander auf das Angebot der Firma Lacuna Inc. zurück – sie verspricht das totale Vergessen auf Knopfdruck. Doch manche Momente – und Nächte – im Leben sind derart kostbar, dass unser Unterbewusstes sie nicht einfach so her gibt. So ergeht es Jim Carrey mit der anstrengenden, aber überwältigenden Kate Winslet, und so geht es uns mit diesem Film. Man begreift ihn nie vollständig, und dadurch behält er seinen Zauber.

4. «Romance & Cigarettes» (2005)

Romantische Rollen. Ernste Rollen. Historische Rollen. Kate Winslet hat mit gerade mal 30 Jahren bereits manch schwierigen Charakter gemeistert und damit einige ums Haar verunglückte Filme noch gerettet. In John Turturros herrlich ordinärer Knallkomödie spielt sie eine rastlos begattungsfreudige Mätresse, die in einen älteren Bauarbeiter vernarrt ist. Schon diese Konstellation verspricht einen Reigen an über den Haufen geworfenen Genre-Klischees. Der ausgezeichnete Cast um James Gandolfini, Susan Surandon und Christopher Walken überbrückt manchen Schwachsinn in diesem Sexkomödienmusical. Kate Winslet setzt diesem mit furiosem Einsatz die Krone auf.

5. «Revolutionary Road» (2008) 

 

Winslet und Di Caprio liessen sich zehn Jahre Zeit, bis sie nach «Titanic» wieder gemeinsam vor die Kamera traten. Zehn Jahre, in denen beide ihre schauspielerische Reputation schliffen. Das Resultat ist in diesem bitteren Film über erodierendes Eheglück hinter einer bürgerlichen Fassade zu sehen: Ein ambitioniertes Paar erkennt im Lauf der Jahre, wie es die gemeinsamen Träume verschleppt, und kommt aus dem Strudel von Schuldzuweisungen und Verbitterung nicht mehr heraus. Jack und Rose aus «Titanic» sind erwachsen geworden, denkt man bei diesem Film unwillkürlich, und selbst eine grosse Romanze wie jene, die an der Reling des Unglücksdampfers beginnt, kann in die Tiefen menschlicher Kälte hinabsinken. Ein raffiniert erschütternder Epilog zum Durchbruchserfolg von Winslet/di Caprio.

6. «Der Vorleser» (2008)

«Der Vorleser», die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Bernhard Schlink, ist einer jener jüngeren Filme über die NS-Zeit, die die Grausamkeit des Holocausts als Inszenierungsraum benutzen, um die Komplexität persönlicher Beziehungen zwischen der Kriegs- und der Nachkriegsgeneration zu zeigen. Deutlich ist zu spüren, wie die deutsch-amerikanische Koproduktion eine möglichst tragfähige Balance zwischen moralischer Reflexion, thematischer Sensibilität und Leinwandatmosphäre zu finden sucht. Etwas gar steif wäre die Inszenierung geraten, würde Kate Winslet die weibliche Hauptrolle nicht mit gewohnter Souveränität spielen und Sinnlichkeit mit Mut zu abstossender Kühle kombinieren. Dass sie für diese Rolle den ersehnten Oscar erhalten hat, dürfte Winslet nicht erstaunt haben: 2005 trat sie in der britischen Comedy-Serie «Extras» von Ricky Gervais auf – als sich selbst. Neben einigem Dirty Talk gab sie dort auch einen Tipp, wie man einen Oscar gewinnt: indem man eine Rolle in einem Holocaust-Film übernimmt.

7. «Carnage» (2011)

 

Ein Kammerspiel, in dem alle Mitwirkenden brillieren. Roman Polanski setzt Yasmin Rezas preisgekröntes Theaterstück (in der deutschen Übersetzung «Der Gott des Gemetzels») wie ein Theaterstück um: Er versammelt vier ausgezeichnete Schauspieler in einer Wohnung und lässt sie langsam aufeinander losgehen, bis die Masken fallen. Kate Winslet und Christoph Waltz, Jodie Foster und John C. Reilly, spielen zwei Ehepaare, die sich treffen, um in guter Absicht einen Streit ihrer beiden kleinen Söhne beizulegen. Am Ende liegen die vier, erschöpft von Stunden der Wut, des Zynismus und der Besserwisserei in ihren Sesseln. Eine Anschauungsstück darüber, was das Bürgertum mit sich anstellt, wenn die zivilisierenden Codes durchbrochen werden.

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