In Bethlehem treffe ich Moodi, der sich in einem Teufelskreis von Wut und Gewalt dreht und nicht daraus ausbrechen kann. Der Versuch, ein Porträt über ihn zu machen, scheitert an der Verbitterung und Frustration über die israelische Besatzung, die der junge Palästinenser in sich trägt und die alles andere überdeckt.
Dieser Blogeintrag ist kein eigentliches Porträt, sondern soll vielmehr den gescheiterten Versuch eines Porträts zeigen. Mitte Dezember reiste ich nach Bethlehem, um mich mit Moodi zu treffen. Wir hatten bereits vor zwei Jahren in der Stadt im Westjordanland Bekanntschaft gemacht, und nachdem ich kürzlich seine Visitenkarte in einer alten Tasche gefunden hatte, haben wir ein Treffen vereinbart.
So sass ich voller Erwartung und Neugier im Bus nach Bethlehem, im Gepäck ein Dutzend Fragen, die ich Moodi stellen wollte – angefangen bei seinem täglichen Leben über seine Kindheit bis hin zu Kunst und natürlich Politik.
Tränengas und Steinschleudern – Normalität in den Strassen Bethlehems
Wir setzten uns in eine Bar und als Erstes zückte er seine Kamera, um mir Fotos von der letzten Demonstration zu zeigen. Auf diesen Bildern waren israelische Soldaten zu sehen, die mit Tränengas schossen, Wachtürme, maskierte oder vermummte Palästinenser, die Steine schleuderten – Szenen der Gewalt, wie man sie aus der «Tagesschau» kennt. All dies hatte sich vor der Tür der Bar abgespielt, in der wir nun zusammen mit vielen anderen Gästen friedlich sassen, es wurde gegessen, geredet, gelacht und Wasserpfeife geraucht.
Schliesslich konnte ich Moodis Aufmerksamkeit von seinen Bildern und Erklärungen auf meine Fragen lenken. Einige Details über sein Leben erfuhr ich denn auch: Er ist in Bethlehem geboren und aufgewachsen, arbeitete einige Zeit in Israel als DJ und ist inzwischen Touristenführer und freischaffender Journalist. Als Freelancer fühle er sich dafür verantwortlich, dass die Bilder der Eskalationen, die in Bethlehem beinahe täglich stattfinden, an die Öffentlichkeit gelangten; dass die Menschen und ihr Alltag unter der Besatzung nicht in Vergessenheit gerieten.
Moodi leistete Militärdienst. Gefallen habe es ihm nicht. Seine glücklichsten Kindheitserinnerungen seien diejenigen an die Ausflüge nach Jerusalem, wo er Freunde treffen und unbeschwert sein konnte.
Das alte Gesetz von Aktion und Reaktion
Mehr vermochte mir Moodi nicht über sich erzählen, denn jede Antwort, die er begann, endete schnell in seiner Frustration und Wut über die israelische Besatzung in Bethlehem. Er erzählte, wie schwierig es sei, hier aufzuwachsen, ein Kind zu sein in dieser Atmosphäre von Gewalt, Ungerechtigkeit und Hass. Er erzählte von einem Freund, der seit zehn Jahren ungerechtfertigt in einem israelischen Gefängnis sitze, von seinen israelischen Freunden, die er seit dem Bau der Sperranlage 2002 nicht mehr besuchen könne, vom Tränengas, von einem 13-jährigen Jungen, der «aus Versehen» von israelischen Soldaten erschossen worden sei.
Ich wies ihn darauf hin, dass auch einzelne Palästinenser nicht eben friedfertig seien, nicht zuletzt in den vergangenen Wochen, in denen fast täglich Messerattacken auf Israelis ausgeübt wurden. Doch Moodi wollte davon nichts wissen, gab sich überzeugt – von dieser Aussage distanziere ich mich –, dass diese Attacken inszeniert seien und die israelische Armee und Polizei wahllos Palästinenser erschiesse und danach ein Messer neben den Leichnam legen würde, um es nach Notwehr aussehen zu lassen. «Und selbst wenn», fügte er hinzu, «was würdest du tun, wenn du täglich Gewalt und Ungerechtigkeit erlebst? Aktion führt zu Reaktion, und auf Gewalt können wir nicht anders als mit Gegengewalt reagieren.»
Bevor ich ging, zeigte er mir ein Graffito, das er auf die Sperrmauer gesprayt hat: zwei Soldaten, die Gewehre im Anschlag – es überrascht mich nicht, dass dies das einzige Motiv war, das er zum Ausdruck bringen konnte.
«Ich kann mich an nichts Schönes erinnern, tut mir Leid.»
So fahre ich nach Hause, mit meinem Dutzend beinahe unbeantworteter Fragen im Gepäck und dem Bild eines Mannes im Kopf, der eigentlich so freundlich und hilfsbereit, so unternehmungslustig und voller Tatendrang ist – und der sich doch in diesem Teufelskreis von Unverständnis, Wut und Bitterkeit dreht und nicht daraus ausbrechen kann. Buchstäblich nicht ausbrechen kann, denn die Mauer erlaubt es ihm nicht, Bethlehem zu verlassen und für eine kurze Zeit auf andere Gedanken zu kommen.
Vor dem Abschied hatte ich einen letzten Versuch gestartet und ihn aufgefordert, etwas Positives zu erzählen, das ihm widerfahren sei oder von dem er gehört habe. Er dachte nach, schwieg lange und sagte schliesslich: «Ich kann mich an nichts Schönes erinnern, tut mir Leid.»
Die Weihnachtsgeschichte, der wegweisende Stern über Bethlehem, die damit verbundenen Gefühle von Frieden und Hoffnung – weit weg.