Kein Strafverfahren wegen «Schlitzer-Inserat»

SVP-Nationalrat und Parteipräsident Toni Brunner kann wegen des so genannten «Schlitzer-Inserates» nicht strafrechtlich verfolgt werden. Beide zuständigen Parlamentskommissionen haben es abgelehnt, Brunners parlamentarische Immunität aufzuheben.

Brunners Immunität wird nicht aufgehoben (Archiv) (Bild: sda)

SVP-Nationalrat und Parteipräsident Toni Brunner kann wegen des so genannten «Schlitzer-Inserates» nicht strafrechtlich verfolgt werden. Beide zuständigen Parlamentskommissionen haben es abgelehnt, Brunners parlamentarische Immunität aufzuheben.

Die Kommission für Rechtsfragen des Ständerates sprach sich mit 6 zu 1 Stimmen bei 5 Enthaltungen gegen die Aufhebung der Immunität aus, wie sie am Mittwoch mitteilte. Sie schloss sich damit der Immunitätskommission des Nationalrates an. Die Kommissionen sind der Meinung, dass die Straftat, die Brunner vorgeworfen wird, nicht so gravierend ist, dass das öffentliche Interesse an einer Strafverfolgung überwiegen würde.

Vor dem Entscheid über die Aufhebung der Immunität müssen die Kommissionen jeweils entscheiden, ob ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der vorgeworfenen Straftat und der amtlichen Tätigkeit besteht. Nur in diesem Fall kann die Immunität Parlamentsmitglieder überhaupt vor Strafverfolgung schützen.

Die Kommissionen sehen in diesem Fall den Zusammenhang als gegeben. Die Ständeratskommission sprach sich mit 8 zu 3 Stimme bei einer Enthaltung für diese Sichtweise aus. Die Präsidenten der grössten politischen Parteien seien alle Mitglieder der Eidgenössischen Räte, hält sie fest. Es sei im Alltag schwierig, die verschiedenen politischen Rollen klar auseinanderzuhalten.

Inserat zur Zuwanderungsinitiative

Zur Debatte stand ein Inserat aus dem Jahr 2011, das die SVP im Verlauf der Unterschriftensammlung zu ihrer Zuwanderungsinitiative schaltete. Das Inserat enthielt den fettgedruckten Satz «Kosovaren schlitzen Schweizer auf!»

Im Text nahm die Partei Bezug auf den Angriff eines Kosovaren auf einen Schweizer Schwinger in Interlaken. Der Kosovare stach dem Schwinger mit einem Messer in den Hals und wurde dafür erstinstanzlich wegen versuchter vorsätzlicher Tötung zu sieben Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Brunner übernahm als Parteipräsident und Wahlkampfverantwortlicher die Verantwortung für das Inserat.

Einzahl statt Mehrzahl

Weil einige Zeitungen das Inserat in dieser Form ablehnten, änderte die SVP den umstrittenen Satz für diese Zeitungen in «Kosovare schlitzt Schweizer auf!» statt «Kosovaren schlitzen Schweizer auf!». Zwei Kosovaren reichten indes eine Strafanzeige wegen Rassendiskriminierung ein.

Die Berner Staatsanwaltschaft eröffnete ein Verfahren, stellte dieses aber ein. Im Frühjahr entschied das bernische Obergericht dann aufgrund einer Beschwerde, die Staatsanwaltschaft müsse die Vorwürfe untersuchen und das Verfahren einem Gericht überweisen. Die Staatsanwaltschaft ersuchte deshalb um Aufhebung der parlamentarischen Immunität Brunners.

Meistens zugunsten der Beschuldigten

In den meisten Fällen sprechen sich die Parlamentskommissionen gegen eine Aufhebung der Immunität aus, zuletzt etwa im Fall des Zürcher SVP-Nationalrats Alfred Heer, der wegen Äusserungen über tunesische Asylsuchende in der Kritik stand. Eine Ausnahme stellte der Fall Blocher in der Affäre Hildebrand dar: Hier kamen die Parlamentskommissionen zum Schluss, dass Christoph Blocher nicht durch die parlamentarische Immunität geschützt war.

Für Äusserungen im Parlament geniessen Parlamentsmitglieder absolute Immunität vor Strafverfolgung. Relative Immunität geniessen sie für Taten, die in unmittelbarem Zusammenhang mit ihrem Amt stehen: Ein Strafverfahren kann in diesen Fällen nur mit Ermächtigung der zuständigen Parlamentskommissionen eingeleitet werden. Für alle anderen strafbaren Handlungen sind Parlamentarier nicht vor Verfolgung geschützt.

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