Bei der Reform der Altersvorsorge sind die Fronten verhärtet. Die Sozialkommission des Nationalrats (SGK) beantragt, in den wesentlichen Punkten unnachgiebig zu bleiben.
Die zentrale Differenz zwischen den Räten betrifft den Ausgleich für die Renteneinbussen, die durch die Senkung des Umwandlungssatzes entstehen. Der Ständerat will neue AHV-Renten pauschal um 70 Franken erhöhen und den Plafond für die Ehepaarrenten anheben. Der Nationalrat hat einen Ausgleich in der zweiten Säule beschlossen. Sein Modell ist aber sehr viel kostspieliger, weshalb die Kommission das Konzept nun überarbeitet hat.
Die Kosten fallen dabei tiefer aus, weil jüngere Arbeitnehmende und ihre Arbeitgeber tiefere Pensionskassenbeiträge zahlen: Zwischen 25 und 34 Jahren soll der Altersgutschriftensatz 5 Prozent betragen, bis 44 Jahre 8 Prozent und danach 13,5 Prozent.
Auf einen Koordinationsabzug will die SGK weiterhin verzichten, es müssten also auf dem ganzen Lohn Beiträge entrichtet werden. Das kommt allen Teilzeitbeschäftigten und damit insbesondere Frauen zugute. Zudem hat die Kommission versucht, jede Überkompensation zu vermeiden. Im Ergebnis wird so das Rentenniveau bei tieferen Kosten gehalten.
Ideologische Differenz
Das wird die Allianz aus CVP und SP im Ständerat kaum umstimmen. Die Mehrheit der kleinen Kammer ist überzeugt, dass die Abstimmung über das Frauenrentenalter 65 und den tieferen Mindestumwandlungssatz nur mit einem Zustupf zur AHV-Rente zu gewinnen ist.
Der Nationalrat hingegen, wo SVP und FDP die Mehrheit stellen, dürfte an der Kompensation in der zweiten Säule festhalten. Die Differenz ist letztlich ideologisch. SGK-Präsident Ignazio Cassis (FDP/TI) nannte das Kind am Freitag vor Journalisten in Bern beim Namen: «Es ist eine andere Vision, wie die Gesellschaft funktionieren soll», sagte er.
Die Kosten spielen in der politischen Ausmarchung letztlich wohl eine untergeordnete Rolle. Zusammen mit anderen Massnahmen, darunter einer Leistungsgarantie für eine Übergangsgeneration von 20 Jahren, belaufen sie sich in der Version der Kommission nun auf 2,85 Milliarden Franken im Jahr 2030. Das bisherige Modell des Nationalrats kostet 4,45 Milliarden Franken, jenes des Ständerats 3,25 Milliarden Franken.
Die Minderheit der Kommission möchte sich dem Weg des Ständerats anschliessen. Die Mehrheitsverhältnisse sind mit 13 zu 12 Stimmen unverändert.
Automatische Erhöhung des Rentenalters
Ebenfalls festgehalten hat die Kommission an ihrem Interventionsmechanismus: Sobald der AHV-Fonds unter 80 Prozent einer Jahresausgabe sinkt, wird das Rentenalter automatisch auf bis zu 67 Jahre angehoben. Parallel dazu wird die Mehrwertsteuer um bis zu 0,4 Prozentpunkte erhöht. Dieser Entscheid fiel mit Stichentscheid des Kommissionspräsidenten.
Vor der Interventionsschwelle will die Kommission die Mehrwertsteuer um lediglich 0,6 Prozent erhöhen. Der Ständerat hatte 1 Prozent beschlossen. Das würde die Wirtschaft nach Ansicht der Kommissionsmehrheit aber zu stark belasten.
Auf der anderen Seite ist klar, dass mit einer tieferen Zusatzfinanzierung schon bald wieder eine neue Reform eingeleitet werden muss. Laut Cassis ist das durchaus gewollt. Die Mehrheit wolle Druck machen, damit es nicht wieder zu einem Reformstau komme, sagte er.
Festhalten will die Kommission auch am eingeschränkten Anspruch auf eine Witwenrente. Der Ständerat hat darauf aus politischen Gründen verzichtet. Die SGK will auch die Kinderrenten zu den AHV- und BVG-Renten streichen.
Eingelenkt hat sie lediglich beim Bundesbeitrag für die AHV. Mit Stichentscheid des Präsidenten beantragt sie, diesen bei 19,55 Prozent zu belassen. Als Zückerchen für die Linke hat die Kommission ausserdem die Frühpensionierungen ohne Renteneinbussen für Arbeitnehmende mit tiefen Einkommen und langer Beitragsdauer wieder in die Vorlage aufgenommen.
Sportlicher Fahrplan
Die Vorlage soll in der Frühjahrssession bereinigt werden. Die Eile ist geboten, denn Ende 2017 läuft die Zusatzfinanzierung der IV von 0,4 Prozent aus. Ab 2018 sollen 0,3 Prozent davon nahtlos für die AHV verwendet werden. Der letztmögliche Abstimmungstermin für die nötige Verfassungsänderung ist der 24. September 2017.
Laut Cassis ist dieser Fahrplan zwar sportlich, aber realistisch. Damit steht den Räten erneut eine hektische Differenzbereinigung mit vielen Ad-hoc-Lösungen bevor. In der Wintersession hatte dieses Vorgehen bei der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative für Unmut gesorgt.